Kurzreise zum Jahreswechsel - Scharmützelsee und Spreewald

Erinnert ihr euch an die Zeit, als wir noch dachten Winter wäre etwas, was in den Monaten Dezember, Januar und Februar stattfindet? Inzwischen wissen wir es ja besser. Naja, am Anfang dieses altmodischen Winters entschlossen wir uns kurzfristig, dass wir den Jahreswechsel diesmal nicht tanzend, sondern lieber in der Sauna verbringen wollten. Was nicht ganz einfach war, so kurzfristig. Doch schließlich wurden wir fündig. Am Scharmützelsee in Bad Saarow. Wir buchten ein Hotel und Silvester in der Saarowtherme, einschließlich eines im Bad stattfindenden Silvesterdinners.
So machten wir uns gemeinsam mit einem befreundeten Paar am 30.12. auf den Weg nach Bad Saarow. Das liegt übrigens in Brandenburg, zirka 70 Kilometer südöstlich von Berlin. Verbrachten den Nachmittag im kalten Wind, aber völlig schneefrei, spazierend am Scharmützelsee. Der sich sehr idyllisch präsentierte, das Ufer gesäumt von alten Villen. Teilweise wunderschön restauriert, teilweise eher einsturzgefährdet wirkend. In den goldenen Zwanzigern war Bad Saarow bevorzugter Treffpunkt der Berliner Kultur- und Filmszene. Aus der Zeit scheinen auch die meisten Villen zu stammen. Heute eher ein typischer Kurort, die meisten Besucher dem Rentenalter nahe oder schon darüber hinaus.
Für Spaziergänge wirklich sehr schön und falls man sich aufwärmen möchte, gibt es auch die verschiedensten Varianten von Glühwein zu kaufen.


Am Abend speisten wir ausgezeichnet im Cafe Dorsch und bereiteten uns später im Hotelzimmer (nicht verraten) eine legendäre Feuerzangenbowle. So gesättigt und entspannt schliefen wir tief und fest in den letzten Tag des Jahres hinein.
Die Veranstaltung in der Therme war erst für 18 Uhr geplant, so dass nach dem reichlichen Frühstück noch der ganze Tag vor uns lag. Ein kurzer Blick auf die Landkarte offenbarte, der Spreewald ist nicht weit, also setzten wir uns ins Auto und machten uns auf den Weg. Uns schwebte so eine typische Kahnfahrt vor.
In Lübben wurden wir leider nicht fündig, hier hatten die Betreiber wohl größere Silvesterveranstaltungen geplant. Die schickten uns weiter nach Lübbenau und da konnten wir tatsächlich zu einer Spreewaldkahnfahrt starten. Mit einer Kanne Glühwein, Schnäpsen und einem Tisch mit entzückenden Plastikblümchen. Hier einige Impressionen.


Das übliche Fortbewegungsmittel im Spreewald: der Kahn. Hiermit wird außer Touristen auch fast alles andere befördert.


Auch die Gaststätten sind wunderbar und manchmal auch ausschließlich vom Wasser zu erreichen.


Spreewälder Gurkenfässer werden durchaus auch zweckentfremdet.


Die Ortseingangsschilder stehen natürlich auch an den Wasserstraßen.


Auch der Müll wird hier per Kahn abgeholt, genauso wie die Post per Kahn gebracht wird.


Nicht nur die Enten scheinen sich hier wohl zu fühlen. Der gute Mann, der uns durch die Wasserläufe stakte, beteuerte, er könne sich nicht vorstellen woanders zu wohnen. Insgesamt ein wirklich gelungener Ausflug und im Sommer sicher durchaus einen längeren Aufenthalt wert.
Gut durchgefroren machten wir uns auf den Rückweg nach Bad Saarow, wo wir das neue Jahr dann später, nach einem leckerem Essen in leichter Bekleidung, irgendwie leicht dekadent, mit einem Glas Sekt in der Hand im warmen Wasser des Außenbeckens der Therme begrüßen konnten. Die Lichter des Feuerwerks über uns spiegelten sich im Wasser um uns herum. Mal eine andere Art Silvester zu erleben.



Reiseerinnerung an ein Wunder - Petra, die Nabatäerstadt

Es ist schon eine Weile her, dass wir in Ägypten waren. Genauer gesagt über drei Jahre. Unser Sohn war erst fünfzehn und musste uns noch begleiten. Was er anfänglich total blöd fand, aber nach diversem Geschnorchel, Tauchausflügen und Quadausfahrten irgendwann vergaß.   Was nicht schwierig war angesichts der Tagestemperaturen von um die 30°, dauerhaftem Sonnenschein, der faszinierenden Unterwasserwelt im roten Meer mit all den bunten Korallen und Riffen und dem hervoragenden Essen in unserem Hotel. Besonders dazu beigetragen hat auch der Neffe des Shishabarbetreibers am Strand, mit dem er sich ein wenig angefreundet hatte.
Als Standort hatten wir absichtlich die Sinai-Halbinsel gewählt, da wir von dort aus die Nabatäerstadt Petra besuchen wollten. Eigentlich wären wir gern in Taba oder zumindest Dahab oder Nuweiba untergekommen, haben aber nicht das richtige gefunden. Von dort wäre so ein Tagesausflug günstiger gewesen, weil nicht so weit entfernt. So wurde es also Sharm el Sheik. Den Ausflug auf eigene Faust zu unternehmen trauten wir uns noch nicht zu, obwohl wir schon einige Aufenthalte in der arabischen Welt hinter uns hatten. Über Jordanien wussten wir aber eher wenig.
Also wurde es ein organisierter Ausflug. Mit fast 200 Euro pro Person nicht ganz billig, aber im Rückblick auf jeden Fall jeden Cent wert. Um 4 Uhr wurden wir am Hotel abgeholt. Nicht unbedingt die Zeit, zu der wir sonst während des Urlaubs austehen. Wir ketterten mit unserem Lunchpaket in den Reisebus, wo unser Sohn gleich wieder einschlief.
An der Küste entlang ging es dann nordwärts, über Dahab, Nuweiba bis nach Taba, wo die Schnellfähre nach Aquaba bereits wartete.
Übliche ägyptische Grenzformalitäten, mit viel Gestempel, wie immer - dann eine Stunde bis nach Aquaba in Jordanien über das rote Meer. Wir machten es uns oben auf dem Deck der Schnellfähre gemütlich und vernichteten unsere Lunchpakete.
Der Teil von Aquaba, in dem die Schnellfähre anlegt, ist übrigens sehr modern und gepflegt. Eine Freude für das deutsche Touristenherz.
Hier verließ uns unser ägyptischer Reiseleiter und wir bekamen einen jordanischen Reiseleiter an unserer Seite gestellt, der uns die nächsten Stunden begleitete und uns während der Fahrt nach Petra mit allerhand Wissenswertem über Jordanien heute und gestern bedachte.Wir konnten unsere Augen derweil über die beeindruckende Landschaft schweifen lassen. Was bei unserem Sohn dazu führte, dass selbige gleich wieder zufielen.
Um halb zwölf waren wir in Petra und es gab für die hungrigen Mägen ein Mittagessen im dortigen Mövenpickhotel, kulinarisch absolut Oberklasse.
Danach machten wir uns bei knappen 30 Grad Mittagstemperatur auf den Weg durch die Schlucht, deren Felswände sich bis zu 200 Metern über uns erstreckten. Zirka 1200 Meter ist der Weg lang und er geht über unebene Böden stetig bergab.  Die spektakuläre Kulisse entschädigt aber für jeden Tropfen Schweiß.
Petra lag an der Kreuzung mehrerer Karwanenwege, versteckt und gut geschützt zwischen schroffen Felswänden und verfügte zudem über eine sichere Wasserversorgung.
Der Ort war nur über einen schmalen Gebirgspfad von Nordwesten zugänglich oder von Osten her durch diese tiefe Felsschlucht, den Siq, der an seiner engsten Stelle nur 2 Meter breit ist. Brauch- und Trinkwasser wurde über in den Fels gemeißelte Aquädukte in die Stadt geleitet sowie durch Terrakottaröhren, die ebenfalls in die Felswände eingelassen und mit Gips abgedichtet waren. Auch heute noch zu sehen.
Für Leute, die nicht so gut zu Fuß sind, besteht übrigens auch die Möglichkeit sich von den ansässigen Beduinen mit einer Kutsche hinabbringen zu lassen. Die Insassen wirkten auf uns aber eher gequählt, was an Untergrund und Federung gelegen haben mag. Andererseits ist es natürlich auch ein gutes Zubrot für die dortigen Beduinen. Denen beim Reiten zuzusehen ist übrigens auch eine echte Show. Die sie natürlich auch daraus machen.
Nachdem der Siq ein letztes Mal nach rechts abbiegt, fällt der Blick des Reisenden auf das in Stein gemeißelte Schatzhaus, das auch kulurell weniger Interessierten aus dem Indiana Jones Film bekannt sein dürfte. Ein unbeschreiblicher Anblick.

Die Vielfältigkeit der in den Sandstein geschlagenen Tempel und die Farbvarianten des Steines sind wirklich einmalig. Die Kulisse lässt einen den Atem anhalten. Trotz all der Touristen, die den Vorplatz bevölkern. Zu Recht ist Petra eines der neuen Weltwunder.
Vier  Stunden Aufent- halt insge- samt mit Hin- und Rückweg durch die Schlucht sind natürlich viel zu kurz.  Das Areal ist riesig und unmöglich in dieser Zeit zu erkunden. Doch vier Stunden ermöglichen einen kleinen Einblick und machen Hunger auf mehr.
Wir haben in- zwischen einen längeren Aufenthalt dort und in Jordanien überhaupt für die nächsten Jahre eingeplant.
Übrigens habe ich selten so viele bedu- inische Jack Sparrows gesehen, wie in Petra. Jeder, der im Besitz eines Kamels war, schien dort als Jack seine Dienste anzupreisen. Sehr schön anzusehen.
Die Zeit ging viel zu schnell um und schließlich mussten wir uns auf den Rückweg machen. Der dadurch, dass es nun bergauf ging, irgendwie deutlich anstrengender war. Glücklicherweise sind auf dem Weg durch den Siq sogar einige Banken aufgestellt, so dass man sich unterwegs setzten kann, falls nötig.
Nach den 4 Stunden wurde die Reise in umgekehrter Reihenfolge wieder abgewickelt. Da inzwischen alle sehr erschöpft waren, erfolgte die Rückreise sehr still. Aquaba erreichten wir bereits in der Dunkelheit.
In Taba angekommen wurden wir am Zoll von einem Mitarbeiter der ägyptischen Gesundheitsbehörde mit einem Fieberthermometer begrüßt, der im Zuge der damaligen Schweinegrippehysterie bei allen Fieber maß. Eine sehr skurille Situation, wenn man zu später Stunde an einem kleinen Häuschen ansteht, um sich ein Fieberthermometer ins Ohr stecken zu lassen. Was sie wohl gemacht hätten, wenn jemand tatsächlich fiebrig gewesen wäre?
Alle waren noch mal wach und es gab im Bus deswegen einige Heiterkeitsausbrüche. Um 0.30 Uhr waren wir dann glücklich und erschöpft wieder in unserem Hotel.
Petra ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Allerdings sollte man deutlich mehr Zeit einplanen und lieber vor Ort übernachten.

Vorfreude... zwei Wochen noch bis Marokko

In zwei Wochen um diese Uhrzeit sitzen wir tatsächlich schon im Flieger von Amsterdam nach Marrakesch. Wenn ich so aus dem Fenster blicke, würde ich eigentlich gerne schon jetzt fliegen. Nichts gegen Schnee, aber bitte alles zu seiner Zeit. Mitte März ist mir eher nach anderem Wetter. Aber egal...auch diese zwei Wochen werde ich noch überstehen. Ich kann ja derweil in den Reiseführern blättern und meinen Kopf mit Sonne füllen.
Unterkünfte haben wir vorgebucht, auch ein Mietwagen ist bereits geordert. Allerdings nicht für die ersten Tage in Marrakesch, da werden wir ihn nicht brauchen. Vom Flughafen zu unserem Riad nehmen wir ein Taxi. In der Hoffnung, dass mein schlechtes Französisch reicht, um sich mit dem Taxifahrer über den Preis zu einigen. Was angeblich nicht ganz einfach sein soll. Und um jemanden zu finden, der uns vom Bab Doukkala (Stadttor in die nördliche Medina) zum Riad führt. Was einfach sein soll. Reichlich unauthorisierte Führer warten dort auf Touristen. Kosten tut es natürlich zusätzlich. Aber das wird schon klappen.
Von Marrakesch geht es dann durch den hohen Atlas ( hier finden wir vielleicht noch etwas übergebliebenen Schnee und fühlen uns dann gleich wieder heimisch ) über den Tizi-n-Tichka ( 2260 m ) nach Ouarzazate, weiter die Straße der Kasbahs entlang bis zu den Sanddünen von Merzouga. Natürlich sind für die Strecke einige Übernachtungen eingeplant. Es soll ja kein Stress werden und wir wollen auch etwas sehen.
Danach fahren wir bis M´hamid, um noch mehr Sanddünen zu sehen, und dann über Taroudant, an Agadir vorbei bis Essaouira an der Atlantikküste. Um Cat Stevens und Jimmy Hendrix nachzuspüren, die sich hier von der Gnaoua-Musik inspirieren ließen. Dafür haben wir ein paar Tage.
Dann soll es nach zwei Wochen schon wieder zurückgehen Richtung Marrakesch, um unseren Flug nach Amsterdam zu kriegen. Wo wir auch übernachten müssen, also auf dem Flughafen Amsterdam. Nach der Streichung unseres ersten gebuchten Rückfluges anders nicht möglich. Doch betrachten wir es als eine neue Erfahrung.

























Bis zu unserem Urlaub genieße ich unser Esszimmer als eine Art Einführung. Sozusagen Marokko für Anfänger.

Hamburg entdecken - das Tropengewächshaus

Da steht uns wieder so ein kaltes Wochenende bevor, dabei haben wir uns alle schon so sehr auf den Frühling gefreut. Wenn ihr das Grau in seinen unterschiedlichen Spielarten und Variationen nicht mehr sehen könnt und euch nach Farbe und frischem Grün sehnt, macht es wie wir vor kurzem und spaziert durch Planten und Blomen ins Tropengewächshaus.
Mein letzter Besuch dort war inzwischen einige Jahrzehnte her, doch der Eingangsbereich und vor allem die Besuchertoiletten dort haben noch immer denselben Charme, den der frühen Siebziger. Solange liegt auch mein letzter Besuch zurück. Hat man aber seine dicken Winterjacken in einen Schrank eingeschlossen, sich gefreut, dass es auch heute noch keinen Eintritt kostet und ist an den leicht veralgten Aquarien vorbei durch die Eingangstür, dann steht man in einem warmen tropischen Regenwald mit bunten Blumen, riesigen Bananenstauden und anderen Gewächsen in feuchtwarmer Luft. Was für eine Wohltat.
Auf gepflasterten Wegen schlendert man durch diesen angelegten Urwald und entdeckt dabei auch als Nichtbotaniker durchaus Interessantes. Wenn man ein wenig bei den anderen Besuchern lauscht, kann man tatsächlich auch noch etwas dazulernen.
Natürlich kann man sich auch an der Beschilderung orientieren.
Das Tropengewächshaus besteht eigentlich aus fünf unterschiedlichen Häusern oder Bereichen. Der erste Bereich, das Tropenhaus, ist mit 800 Quadratmetern auch der größte Bereich. Hier findet man neben den verschiedenen tropischen Pflanzen auch noch ein kleines Gewässer mit Fischen.
Wir durchqueren danach das 
Cycadeenhaus, das der altertümlichen Pflanzengruppe der Palmfarne gewidmet ist.
Nach der nächsten Tür wird es etwas kälter, es geht weiter in den subtropischen Bereich.
Hier herschen mediterrane Be- dingungen, was aber auch heißt, dass die Winter- temperatur nachts auf 5 bis 10 ° C zurückgehen kann. Fühlt sich im Gegensatz zu draußen immer noch warm an und ist vor allen Dingen wunderbar grün mit Farbtupfern durchsetzt.




Von hier aus geht es durch eine weitere Tür in das kleine Farnhaus. Die Atmosphäre hier erinnert ein wenig an einen verwunschenen Elfengarten. Überall sattes, feuchtes Grün. Nur dass ich keine Elfen gesehen habe.



Das anschließende Kakteenhaus ist den Pflanzen aus den Trockenregionen der Erde, insbesondere den Halbwüsten und Wüsten Amerikas und Afrikas, gewidmet.
Für den Rundgang durch alle Häuser benötigt man, je nachdem wie intensiv geschaut wird, vielleicht eine halbe Stunde. Wir sind noch ein zweites Mal herumgegangen, um Temperatur und Farbenvielfalt aufzusaugen, bevor wir uns wieder hinaus in das nasse und kalte Grau des Hamburger Winters gewagt haben.
Am Ausgang hängt eine Spendengießkanne, mit einem kleinen Beitrag kann man die Arbeit des Botanischen Gartens unterstützen.







Wenn man dann wieder im Hamburger Dauergrau angekommen ist, findet man tatsächlich Anzeichen von Frühling im Park, hat genug Wärme getankt, um eine Weile durch Planten und Blomen zu streifen und kann sich einreden genug Kalorien verbraucht zu haben, um im Café Schöne Aussichten den Cappuccino mit einem Stück Schokoladentorte zu krönen.




Meine Sicht der Dinge - Gas oder Wasser?

Vorangestellt sei: dies ist kein Reisebericht. Aber jede Reise führt auch in Heimat von Menschen. Dies ist also ein Heimatbericht. Einer, der mir sehr wichtig ist.

Manchmal kann ich mich nur noch wundern. Naja, immerhin kann ich mich noch wundern. Über die Naivität von Menschen. Die ausblenden welche Interessen Wirtschaftsunternehmen verfolgen...
Eigentlich glaube ich ja an das Gute im Menschen. Aber das Gute in Wirtschaftsunternehmen? Eher nicht. An das Gute in der Politik? Eher auch nicht. Ihr könnt mir nicht folgen? Ich rede kryptisch? Mag sein. Aber lest weiter, dann lösen sich eure Fragen von selber.
Ich möchte euch ein Bild malen. Von dem Ort, an dem ich wohne. Ein Bild mit Worten.
Ich wohne in den Vierlanden. Die Vierlande ? Tja, die sind ein Teil von Hamburg. Doch stellt euch keine Großstadt vor. Es gibt kaum einen Ort, der weniger großstädtisch sein könnte. Stellt euch Deichstraßen vor. Kilometerlang mit vielen Kurven. Gesäumt von Fachwerkhäusern. Tief heruntergezogene Reetdächer. Die sich vor dem allgegenwärtigen Wind schützend an den Boden zu schmiegen scheinen. Freie Felder mit windschiefen Weiden wechseln mit Reihen gläserner Gewächshäusern. Am Straßenrand blühende Blumen. Storchennester, die jedes Frühjahr von ihren Bewohnern neu bezogen werden. Die Elbe fließt glitzernd an unseren Deichen vorbei. Entwässerungsgräben bewahren die Häuser vor der Feuchtigkeit. Manche Gärten schmücken künstliche Plastikkühe. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Doch zahlenmäßig sind echte Kühe auf den Weiden überlegen. Und Pferde. Verschiedenster Rassen und Größen. Und natürlich Blumen, Blumen, Blumen. Innerhalb und außerhalb der Gewächshäuser. Eine Idylle.


Habt ihr das Bild im Kopf? Super! Zur Unterstützung hier noch ein Sonnenaufgang über der Elbe.

Themenwechsel. Kennt ihr euch mit Gesetzen aus? Ich auch nicht. Aber ich habe versucht mich schlau zu machen.
Es geht um das Bergrecht. Tatsächlich ein Recht aus Kaisers Zeiten. Das immer noch gilt. Manche Dinge sind unkapputbar. Im 19. Jahrhundert gemacht, um dem Kaiser einen einfachen Zugriff auf Bodenschätze zu garantieren. Es schreibt fest, dass Grundbesitzer keinen Anspruch auf bestimmte Bodenschätze haben, sondern der Staat. Der darf sie jedem, der sie abbauen will und kann, sozusagen alleinherrschend zusprechen. Der Staat mit seiner Verwaltung kann also immer noch schwer angreifbar Bergbau zulassen, auch wenn er dem Interesse der betroffenen Anwohner keinesfalls entspricht. Soweit so schlecht.
Jetzt kommen wir zu den Wirtschaftsunternehmen. In diesem Fall die Firma BEB, eine Tochter des Energieriesen Exxon Mobile. Immer auf der Suche nach neuen Energiereserven. Die mit immer neuen Methoden gefördert werden sollen. Schließlich sind alle Reserven endlich. Und die Energiepreise scheinbar nicht. Diese Firma hat eine sogenannte Aufsuchungsgenehmigung für die Vierlande erhalten. Nicht nur für die Vierlande, auch für diverse andere Gebiete. Vom Landesbergbauamt. Die mit dem Recht aus Kaisers Zeiten. Drei Jahre kann das Unternehmen nun prüfen, ob sich genügend Erdgas in tieferen Gesteinsschichten befindet.

Zurück in die Vierlande. Trinkwassereinzugsgebiet  für die Millionenmetropole Hamburg.  In Teilen ökologisch sensibles Naturschutzgebiet. Naherholungsgebiet für gestresste Großstädter, begeisterte Radfahrer und Inlineskater. Wohnort von Menschen. Und nicht nur die Vierlanden sind betroffen. Im Hamburger Stadtgebiet auch noch Teile von Bergedorf, Allermöhe, Wilhelmsburg und Harburg. Die um ein vielfaches dichter besiedelt sind. Macht euch ein Bild in eurem Kopf. Dann erneut: umswitchen.

Wir machen einen Zeitsprung. Zum 3. November 1910. In der Nacht gab es einen gewaltigen Knall an zwei Bohrstellen am Kirchwerder Landweg. Unkontrolliert entströmte einem Bohrloch, aus dem eigentlich Wasser sprudeln sollte, Erdgas. Das austretende Gas war nicht mehr zu bändigen und fing in der nächsten Nacht, wahrscheinlich durch Funkenflug, Feuer. Die Baustelle, einschließlich des hölzernen Bohrturmes, verwandelte sich durch die Explosion in ein Trümmerfeld. Menschen wurden wegen der nächtlichen Zeit wie durch ein Wunder nicht verletzt. Da das Bohrrohr einen kreuzförmigen Ansatz hatte, brannte das Gas in Form eines Kreuzes. Welch mystisches Schauspiel! Zwanzig Tage lang war dieses Flammenkreuz nicht zu löschen. Von überall her pilgerten die Menschen, um dieses Schauspiel zu sehen. Geschäftstüchtige Anwohner verkauften Tütchen mit Watte, gegen den ohrenbetäubenden Lärm des austretenden Gases. Die Reichsbahn setzte Sonderzüge ein und Männer boten den Schaulustigen ihre Dienste als Träger durch den Morast an. Nach zwanzig Tagen konnte das Feuer dann endlich gelöscht werden.
Quelle Bergedorfer Bürgerverein
Das war der Startschuss für die Erdgasförderung in den Vierlanden. Ab 1913 wurde die Quelle wirtschaftlich genutzt. Etwas später, nämlich 1937 wurde in Reitbrook, auch Vierlanden, mit der Erdölförderung gestartet. Du wunderst dich? Fragst dich, wo das Problem ist? Wenn hier schon seit Jahrzehnten Erdgas und Erdöl gefördert wird? Nimm dir noch ein wenig Zeit und lies weiter.

Zurück ins hier und jetzt. Nur um das Bild im Kopf zu behalten. Wir sind hierher gezogen, weil es uns wichtig war, dass unsere Kinder in der Natur aufwachsen. Wissen, dass man für Milch Kühe braucht. Dass Hühner Eier legen. Dass aus Samen in der Erde Blumen wachsen. Oder Gemüse. Dass man den Tag mit wilden Abenteuern zwischen  den Obstbäumen verbringen kann. Oder in der Scheune im Heu. Dass Bienen Honig machen. Wenn man sie lässt. Dass eine Libelle über dem Wasser tanzen kann. Oder zwei Libellen. Dass es all diese Wunder der Natur gibt. Und dass diese unersetzlich ist. Ist das Bild wieder im Kopf? Super!

Jetzt wird es technisch. Physik, Chemie und Mathe waren nie meins. Ich habe mich schwer getan damit. In der Schule geschummelt. Glücklicherweise kann mir kein Doktortitel aberkannt werden. Doch ich hab versucht mich schlau zu machen. Unsere fossilen Brennstoffe sehen ihrem Ende entgegen. Sie reichen, je nachdem wen man fragt, welchen Verbrauch man zugrunde legt und um welchen Brennstoff es geht, zwischen 40 und 67 Jahren, nur Kohle soll noch für über 100 Jahre vorrätig sein. Das spornt alle an neue Vorräte und neue Fördermethoden zu entdecken. Die Motive dafür? Sicher keine Menschenfreundlichkeit. Schließlich ist damit eine Menge Geld zu verdienen. Hier kommt jetzt wieder die Firma BEB ins Spiel. Die Tochter von Exxon Mobile. Und die Geschichte mit dem kaiserlichen Bergrecht. Unter den Vier- und Marschlanden gibt es geologische Formationen, die ein Vorkommen von Gas und Öl im Tiefengestein vermuten lassen.
Die technischen Einzelheiten der angedachten Fördermethode, des Frackings, möchte ich nicht erklären. Das können  andere detaillierter und besser. Ich fasse es nur kurz zusammen. Um auch das letzte Erdgas aus tiefen Gesteinschichten zu fördern, muss ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst werden, so dass Risse erzeugt werden, die eine Förderung dieses Erdgases erst ermöglichen. Welche Chemikalien? Tja, das wird nicht so wirklich verraten. Da könnte ja jeder kommen. Laut Monitor sind in Deutschland unter anderem diese Stoffe zum Einsatz gekommen, nämlich: Tetramethylammoniumchlorid, Petroleumdestillate, Octylphenol und Biozide aus der Gruppe der Isothiazolinone. Alles krebserregende, hormonverändernde und stark wassergefährdende Toxine. Mit unaussprechlichen Namen. Achja, und etwas dieser Frackflüssigkeit bleibt immer im Boden zurück. Klingt vielversprechend, nicht wahr? Zumindest für Wirtschaftsunternehmen.

Wir wechseln Zeit, Ort, Land und Kontinent.
20. April 2011. Bradford County (Penssylvania). Hier kam es beim Fracken nach Erdgas zu einem sogenannten Blowout. Zehntausende Liter Frackflüssigkeit wurden dabei in der Umgebung verteilt und flossen auch nach Stunden noch in einen nahe gelegen Bach.
Der explosionsartigen Austritt wurde durch einen nicht näher genannten technischen Fehler verursacht.
Die Bohrplattform wurde versiegelt, Schutzwände aus Stahl und Beton errichtet, aber es reichte nicht. Die Folgen des Ausbruchs konnten nicht mehr verhindert werden. Das Wasser-Chemikaliengemisch verseuchte die Umgebung im weiten Umkreis. Obwohl die Firma angeblich alle Vorkehrungen getroffen hatte, dass so etwas nicht passieren könnte. Auch ein nahe gelegener Zufluss zum Susquehanna River, Trinkwasserlieferant für mehrere große Städte in Pennsylvania war betroffen.
Klingt das immer noch vielversprechend? Eher nicht.

Jetzt verlassen wir den Ort der Horrorszenarien und kehren wieder zurück ins hier und jetzt. Was die Horrorszenarien ja nicht mehr unbedingt ausschließt. Von unserem Dachfenster aus kann ich über Reihen von Gewächshäusern den Sonnenaufgang beobachten. Im Frühjahr und Herbst steigt sie aus dem fahlen Frühnebel an einen immer blauer werdenden Himmel. Manchmal. Mein Blick streift die Dachfenster. Sie müssten erneuert werden. Sind bereits mehr als zwanzig Jahre alt.
Wir haben sie aus der Bille-Siedlung. Die Bille-Siedlung? Die gibt es so nicht mehr. Das war ein Wohngebiet im Osten Hamburgs, gebaut auf einer Spülfläche, in der sich erhöhte Dioxin-, Furan-, Arsen- und Schwermetallkonzentrationen fanden. Hochgradig gesundheitsgefährdend. Mehr als 700 Menschen lebten dort. In knapp 300 Haushalten. Viele Bewohner akzeptierten die von der Hamburger Stadt angebotene Umsiedlung. Dann wurden 80.000 Kubikmeter Boden ausgetauscht. Dafür wurden Häuser abgerissen. Die vorher ausgeschlachtet wurden. Von dort kommen unsere Dachfenster.

Ich sehe ihn noch vor mir, den Mann vom Abrissunternehmen. " Schaut selber, wenn ihr ein Haus mit passenden Dachfenstern findet, kommt und sagt Bescheid." Sprachs, Hände in den Taschen und stiefelte davon.
Wir machten danach einen geisterhaften Spaziergang durch verwaiste Gärten. Zwitschernde Vögel, die nichts davon wusssten, dass sie die Beeren an den Sträuchern lieber nicht essen sollten. Liegen gebliebenes Spielzeug in einsamen Sandkisten. Einige verspätet blühende Kletterrosen an einem Spalier, die an heißen Sommertagen Schatten spenden sollten. Was sie nie wieder tun würden. Eine unnatürliche Stille, nur unterbrochen vom Lärm der Baufahrzeuge, die in der Ferne bereits die ersten Häuser dem verseuchten Erdboden gleich machten. Offen stehende Haustüren. Für alle, die noch etwas gebrauchen konnten. Ausverkauf von dem, was einmal Heimat von Menschen war. Es war gespenstisch.

Ich glaube nicht an das Gute in Wirtschaftsunternehmen. Das habe ich bereits am Anfang gesagt. Wirtschaftsunternehmen agieren, um Profit zu erreichen. Das ist ihr Hauptziel. Sie möchten keine Lebensräume schützen. Es geht ihnen auch nicht um unsere Versorgung mit Energie. Es geht ihnen ausschließlich um Profit.
Ich glaube auch nicht so wirklich an das Gute in der Politik. Um weiter in Bildern zu sprechen: Wirtschaft und Politik gehen oft Hand in Hand, manchmal eng umschlungen wie ein Liebespaar. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass mit Hilfe der Politik marode Firmen, marode Banken gerettet wurden, deren Manager trotz zu verantwortender Milliardenverluste immer noch Boni in Millionenhöhe kassieren. Unsere Politiker agieren fast ausschließlich wirtschaftspolitisch.
Dreizehn Jahre sollen die deutschen Schiefergasvorkommen unseren Gasbedarf decken können. Angeblich.  Doch selbst wenn dem so wäre. Sind dreizehn Jahre Gasversorgung es wert, das Risiko einzugehen Trinkwasser und Boden zu verseuchen? Ohne Gas können wir leben, ohne Trinkwasser nicht. Wir sind gefordert. Wir müssen uns wehren.