Wales I: Hoek van Holland - Harwich - Mynachlogddu

Der Wagen ist gepackt, wir starten kurz vor neun Richtung Hoek van Holland. Dort geht erst
abends um 21.30 Uhr unsere Fähre nach Harwich. So haben wir entspannt viel Zeit und können reichlich Pausen einplanen. Die Autobahn ist nur mäßig voll und wir kommen gut voran.  Für die Pausen habe ich diesmal kulinarisch vorgesorgt. Schließlich sind wir irgendwie retro unterwegs. Will heißen mit dem Auto, wie früher,  und nicht mit dem Flieger. Dementsprechend gibt es für die Pausen Kartoffelsalat und Frikadellen. Auch wie früher. Und wie früher, musste ich die Frikadellen schon am gestrigen Tag gegen die Vielfraße in der Familie verteidigen. Was mir zumindest teilweise gelungen ist, es sind genug über als Reiseproviant.
Anders als früher geleitet uns heute die samtweiche Damenstimme eines Navigationssystems über die Autobahn zu unserem Ziel. Hier bin ich mir noch unsicher, ob Retro, will heißen gutes Kartenmaterial nicht besser wäre. Der Grund dafür liegt sicher tief in mir begraben. Mich auf Technik zu verlassen, fällt mir einfach schwer, ich neige dazu die Routen des Navis zu hinterfragen. Und die Stimme mit ihren Ermahnungen "bleiben sie links" geht mir zunehmend auf den Senkel.
stilecht warten an der Fähre
Es stellt sich aber heraus, sie hat uns richtig geleitet, wir sind bereits am frühen Nachmittag in Hoek van Holland und können noch ein paar Stunden am musikbeschallten Strand verbringen, wo gerade ein Beachvolleyballturnier ausgetragen wird. Umsonst und draußen-Entertainment. Sehr schön zum angucken.
Danach noch kurzes Warten an der Fähre mit Blick auf Rolls Royce und den darin sitzenden durchaus stilechten Fahrern, dann wird schnell und unkompliziert verladen.
Die Kabinennummer samt Code für die Tür bekommen wir gleich an der Passkontrolle ausgehändigt und so entfällt auch das von früher bekannte lästige Anstehen für die Kabinenvergabe. Perfekt! Die Kabinen sind vielleicht nicht unbedingt komfortabel zu nennen, enthalten aber alles was man braucht, zwei Betten, kleines Sofa, Fernseher, eigenes Bad, sogar mit Fön. Wir genießen den Sonnenuntergang an Deck, als die Fähre pünktlich ablegt und schlafen danach unserem Ziel, Harwich, entgegen.


Am nächsten Morgen sind wir schon vor dem angekündigten Weckruf wach, duschen und sind rechtzeitig zum Entladen unten am Auto. Rausfahren, Passkontrolle und dann auf der linken Seite der Straße erstmal Richtung London. Es liegen fast 600 km vor uns und dabei handelt es sich nicht nur um Autobahn, aber es ist noch früh, gerade erst 6 Uhr nach britischer Zeit. So legen wir irgendwo bei London eine ausgedehnte Pause bei einem kalorien- und cholesterinreichen Frühstücksmahl ein. Stellen wieder einmal fest, dass Essen an der Autobahn irgendwie nicht ganz billig ist. Aber was solll´s? Schließlich haben wir Urlaub.
Wir kommen gut voran, die Dame im Navigationsgerät hat eine klare Vorstellung davon, wie wir zu fahren haben. Lediglich zum Schluss müssen wir sie ausstellen, da unsere erste Ferienwohnung so versteckt in einem Moor liegt, dass die Dame überfordert ist und die Adresse nicht findet. Wir haben aber per Mail eine Wegbeschreibung erhalten, die ausgedruckt auf meinen Knien liegt. Old style ist  manchmal durchaus hilfreich.
Es ist absolut einsam hier. Am Stras sen- rand mitten im Gestrüpp steht eine englische Telefonzelle, daneben ist der zugewachsene Eingang zu einer Kapelle. Wir halten an. Im hohen Gras liegen umgekippte Grabsteine, überwuchert und mit Flechten bewachsen, Insekten summen, die warme Nachmittagssonne lässt alles ein wenig verschlafen erscheinen.
Die Tür zur Kapelle steht offen, tatsächlich scheinen hier auch noch Gottesdienste stattzufinden. Irgendwie ein verwunschener Ort. Schön!
Kurze Zeit später kommen wir dann bei unserem Cottage an. Gleich nach dem Aussteigen begrüßt mich einer meiner treuesten Fans, eine Bremse, mit einem zielsicheren Stich aufs Augenlid, hurra! Morgen werde ich von Quasimodo oder einer Pestbeulenkranken kaum zu unterscheiden sein. Ich freu mich schon.
Nach einer Weile gelingt es uns auch auf diesem verwinkelten, weitläufigen Grundstück unsere Vermieterin zu finden, die gerade nackt in der Sonne liegt. Sie begrüßt uns freundlich, während sie sich in ein gebatiktes Tuch einwickelt und in meinem Kopf entstehen Bilder davon, wie sie bei Vollmond nackt rückwärts um die Steinkreise tanzt. Manchmal ist so eine rege Phantasie irgendwie hinderlich.
Sie zeigt uns unser winziges Cottage, ein umgebauter Schweinstall, wie passend, und während wir noch überlegen, wo, um Gottes Willen, wir unsere Koffer unterbringen sollen, ohne unüberwindliche Barrieren zu kreieren, ist sie auch schon wieder verschwunden. Jaaaa, Steinkreise, Feen, wir sind in verwunschenen Mooren unterwegs...
Nachdem wir raumsparende, kreative Lösungen gefunden haben, schließlich sind wir viele Jahre Familiencamping erprobt, machen wir uns auf den Weg ins Moor, das direkt hinter unserem Cottage anfängt. So mit Schafen und Steinkreisen, verfallenen Farmhäusern und allem was dazu gehört..
Hier ein paar Impressionen:




Wirklich wunderschön. Absolute Stille, während wir hindurchwandern. Nur meine Freunde, die Bremsen begleiten uns durch die Einsamkeit. Lassen sich zufrieden auf meinen Waden nieder, um nochmal ordentlich zuzustechen. Vielleicht sind sie das Blut der Schafsherden hier irgendwie leid. Wir wollen ja auch nicht jeden Tag das gleiche essen.
Apropos essen. Dieses Cottage haben wir für vier Über- nacht- ungen gemietet mit dem Plan uns dort selbst zu versorgen. Auch hier ist erneut unsere Kreativität gefordert, da es weder einen Tisch gibt, an dem man essen könnte, noch Stühle oder Platz, um das Essen vorzubereiten.
Wir kriegen es trotzdem hin. Einen einsamen, herrenlosen Tisch finden wir an einer anderen Stelle des weitverzweigten Gartens und Stühle haben wir selber dabei, Campingstühle, eigentlich für den Strand gedacht, aber  glücklicherweise vielseitig verwendbar.
So schaffen wir uns unseren eigenen Essensplatz, vielleicht nicht unbedingt was für die Optik, aber zweckmäßig. Wir wissen nicht, dass das ein besonderer Abend ist, es ist nämlich der einzige mückenfreie Abend, den wir hier erleben werden. Also essen wir unsere Spaghetti Carbonara total entspannt, spülen sie mit dem Rotwein hinunter und genießen danach den Sonnenuntergang über dem Moor in absoluter Stille. Naja, fast absoluter Stille. Die umherstreifenden Schafe unterbrechen die Stille gelegentlich durch freundliches Blöken.
Mynachlogddu liegt in Südwales, allerdings dort dicht an der nördlichen Küste, und gehört zum Bezirk Pembrokeshire. Wir haben es als Standort gewählt, weil es in der Umgebung noch eine Vielfalt von keltischen und vorkeltischen Stätten gibt, darüber hinaus einige schöne Burgen und auch kleine sehenswerte Städtchen. Für morgen haben wir uns bereits eine Route überlegt, die uns an einigen Sehenswürdigkeiten vorbeiführt, unter anderem wollen wir die Kathedrale St. Davids und den Bischop´s Palace besichtigen. Ansonsten werden wir einfach gucken, was so auf dem Weg liegt. Bestimmt findet sich was schönes.   



Postkarte aus Lllandudno - Wales

Normalerweise schreibe ich keine Posts während des Urlaubs. Doch diesmal mache ich eine Ausnahme. Ich muss kurz berichten, was so besonders an Wales und diesem Vereinigten Königreich ist.
Gestern, nach einem Tag voller Natur und natürlich auch einer Burgbesichtigung, kamen wir vom Essen im Kings Head zurück. Zwei Kilometer trennen das traditionelle Pub von unserem Guesthouse. Zwei Kilometer entlang der Strandpromenade, während die Sonne nach einem heißen Tag über dem Great Orm unterging. Irgendwie wehte der Wind uns Musik entgegen, bevor wir etwas sehen konnten. Etwas später sahen wir es dann: In einem Pavillon an der Strandpromenade spielte eine Blaskapelle. Auf den Bänken und auf extra aufgestellten rotweißgestreiften Liegestühlen rundherum saßen Menschen. Die meisten etwas älterem Semesters. Doch sie lauschten nicht nur der Musik, nein, sie hielten Textblätter in der Hand und sangen lauthals mit. Mit tragender Stimme oder auch ein wenig zittrig, aber irgendwie voller Inbrunst. Wir hielten an. Stellten uns dazu. Sahen uns um. Und waren irgendwie gerührt.
Die Veranstaltung war wohl schon recht fortgeschritten. Der Orchesterleiter kündigte zum Abschluss die walisische und die englische Nationalhymne an. Dann erhoben sich alle, also wirklich alle, von ihren Plätzen. Dazu müsst ihr wissen, dass viele der Anwesenden nicht nur ihren Gehstock, sondern durchaus auch ihren Rollator dabei hatten. Doch egal wie zittrig sie waren oder wie lange sie brauchten, sie standen auf. Wir waren froh, dass wir schon standen. Und sie sangen. Nicht nur mit der Stimme, nein, irgendwie auch mit dem Herzen. Es war berührend zu sehen wie jung und alt gemeinsam diese beiden Nationalhymnen in den Wind sangen.
Doch es wäre nicht das Vereinigte Königreich, wenn nicht noch Platz wäre für eine skurrile Note. Während um uns herum vielstimmig "God save the Queen" erklang, schritt ein Esel samt Begleitung gemessenen Schrittes durch die feierliche Darbietung, was weder den Esel noch die Musizierenden zu irritieren oder zu stören schien.
Als die letzten Töne verklungen waren und jemand vom Orchester bereits die Textblätter ordentlich wieder einsammelte, blickten wir zufällig hinüber zur Straße. Huch! Ein Wagen voller orthodoxer Juden, schwarz bekleidet, mit Hut und Schläfenlocken, war von der Darbietung wohl so fasziniert, dass sie rückwärts in Schlangenlinien mit irgendwie fassungslos wirkenden Gesichtern die Uferpromenade entlangfuhren.
Ich kann auch heute noch nicht einschätzen, ob meine Tränen in den Augen eher der Rührung entsprungen waren oder meinem Lachanfall.

Wismar - eine alte Hansestadt



Manchmal kommt es ja anders als geplant. Geplant ist für dieses Wochenende eigentlich mit dem Motorrad die Elbe stromaufwärts zu fahren. Aber wie das mit Plänen so ist... Willst du das Schicksal zum lachen bringen, mach einen Plan.
Die Wettervorhersage fürs Wochenende ließ uns den Plan überdenken und so wird aus der Motorradtour an der Elbe ein Kurzwochenende in Wismar, mit dem Auto, wohlgemerkt.
Wir starten am Samstagmorgen bei leichtem Nieselregen. Von Hamburg nach Wismar ist es nicht weit und wir entscheiden uns deshalb für die Landstraßenvariante. Autobahnfahrten sind dann doch eher eintönig und in diesem Fall auch etliche Kilometer weiter. Dieser Entscheidung verdanken wir dann auch gleich unseren ersten Stop am Ratzeburger See. Wir haben einfach keine Lust im Schritttempo dem musizierenden Schützenverein zu folgen, der in gemächlichen Tempo Richtung Innenstadt marschiert, und beschließen lieber im Nieselregen ein Eis am See zu essen. Mit Blick auf die dort idyllisch im Wasser schaukelnden Wikingerschiffe, die über den Verein Alte Schule e.V. gemietet werden können. Übrigens ein echter Spaß in der Gruppe, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.
Während der weiteren Autofahrt wird aus dem Nieselregen erfrischender, ausgiebiger Landregen, der glücklicherweise mit unserer Ankunft auf dem kostenfreien Parkplatz am Hafen von Wismar pausiert. Genug Zeit, um mit Schirm und Rucksack bewaffnet Richtung Hafen zu schlendern.
Im Gegensatz zum Hamburger Hafen doch eher übersichtlich,
hat aber gerade der alte Hafen seinen ganz eigenen Reiz bewahrt. Immer am Wasser entlang kommen wir an diversen Fischhökern vorbei, die ihr Geschäft von ihren Booten aus betreiben. Backfisch im Brötchen scheint hier eine lange Tradition zu haben und wird gefühlt überall angeboten. Noch hält sich unser Hunger allerdings in Grenzen.
Überall stehen die großen alten Speicher- häuser, an denen teilweise noch die Schriftzüge des VEB Kombinat Getreidewirtschaft Wismar zu erkennen sind.
Oder Schilder mit der Aufforderung Vorsicht walten zu lassen. Dazwischen Brachflächen, die auf ihre Bebauung warten.
Als wir das Baumhaus mit den zwei Schwedenköpfen davor am Ende des Kais erreichen, beginnt es erneut zu regnen, diesmal als feiner Sprühregen. Diese Regenvariante durchnässt leider schneller als man denkt. Das Baumhaus heißt übrigens Baumhaus, weil hier mittels eines langen Baumstammes der Hafen bei aufkommender Gefahr abgesperrt werden konnte.
Wir nutzen die Periode des Sprühregens für einen ausgiebigen Aufenthalt in einem Souvenirgeschäft und den Verzehr zweier Fischbrötchen samt Bier zum Hinunterspülen unter der Plane eines der Verkaufsboote.


Wassertor
Bevor wir uns auf den Weg durchs Wassertor in die Altstadt machen, kreuzt ein weiteres Relikt aus DDR-Zeiten unseren Weg. Ein Jawa-Motorradgespann mit Anhänger. Der Fahrer dreht extra noch einmal um, damit wir ihn fotografieren können. Sehr freundlich.
Brauhaus Am Lohberg
Dann bummeln wir, ganz ohne Regen, ein wenig durch die Altstadt- gassen und bewun- dern die Fach- werk- häuser und Giebel aus den verschiedensten Jahrhunderten.
Wir kommen am Brücken- haus über dem Graben vorbei, ein bereits im 13. Jahrhundert angelegter Kanal, der den Mühlensee mit der Ostsee verbindet. Sehr schön gefallen uns die wunderbar schiefen Erker.
Dann gehts weiter ins sogenannte Gotische Viertel. Erstaun- licherweise ist es immer noch trocken. Sicher weil wir mit einem riesigen Stockschirm unterwegs sind, der eigentlich immer im Weg ist und der mehrmals gefährlich nahe ans Objektiv der teuren Kamera gerät. Wir wollen uns die monumentalen Backsteinkirchen ansehen, die hier stehen. Zufällig führen uns unsere Schritte als erstes in die Kirche St. Georg, die im 2. Weltkrieg bei einem alliierten Bomberangriff erheblich beschädigt wurde, um danach dem Verfall überlassen zu werden. Unter der DDR-Regierung hatte der Erhalt von Kirchengebäuden nicht unbedingt erste Priorität. Seit 1990 wurde die verfallene Kirche saniert und präsentiert sich uns heute in schlichter, aber gerade deshalb beeindruckender Backsteingotik. Sie wird als Konzertkirche genutzt, ist dementsprechend bestuhlt und bei unserem Besuch wird grad reichlich Bühnentechnik aufgebaut. Die Akkustik soll berauschend sein.
Der Himmel ist immer noch grau, als wir weiter zur St. Marienkirche gehen. Oder besser zu dem was von ihr übrig ist, nämlich dem Turm. Der Rest der Kirche wurde 1960 gegen den Widerstand großer Teile der Bevölkerung gesprengt. Da der Turm aber in den Seekarten als Landmarke verzeichnet war, blieb er einigermaßen unversehrt.
Er kann besichtigt werden, was tatsächlich keinen Eintritt kostet. Lediglich um eine Spende bittet der Verein, der sich um die Erhaltung kümmert. Die einstündige Führung kann ich wirklich weiterempfehlen.
Wir erfahren etliche Detailles über Bauarbeiten im Mittelalter, während wir die eng gewundene Wendeltreppe emporsteigen. Nach dieser Führung weiß man, was ein Mauerstein im Klosterformat ist, welche Schwierigkeiten das Erstellen eines Kreuzrippengewölbes birgt und warum in den Analen der Kirche kein toter Bauarbeiter auftaucht, obwohl das Mauern unter den Bedingungen in extremen Höhen und bei starken Winden sicher seine Opfer gefordert hat.
Außerdem darf man die Glocken läuten, ein echtes Erlebnis für die Ohren, und hat einen wunderbaren Blick über Wismar.
Wieder unten angelangt ist es Zeit unser Hotelzimmer zu beziehen. Auf dem Weg hinunter zum Parkplatz am Hafen beginnt es erneut zu nieseln, unser Stockschirm kommt also endlich zum Einsatz. Als wir beladen mit dem Gepäck (ok., ganz so viel war es ja nicht....) wieder hinauf Richtung Hotel stiefeln, verwandelt sich der Nieselregen in einen ausgesprochenen Platzregen. Wir tauschen den Schirm gegen einen schützenden Hauseingang. Wie auch diverse andere Touristen. In jedem Hauseingang drängeln
sich mehrer Personen. Verlassen diesen erst wieder, nachdem sich der Regen auf ein erträgliches Maß reduziert hat.
Wasserkunst
Unser Hotel Alter Speicher liegt unweit der Nikolaikirche. Es hat eine wunderschöne Fassade und steht unter Denkmalschutz. Leider liegen die Zimmer in einem Neubau hinter dem Haus und entsprechen so nicht so wirklich den Vorstellungen, die wir uns davon gemacht haben.
Naja, egal, alles ist sauber, die Betten sind gut und wir sind ja nur eine Nacht hier.
Alter Schwede
Wir laden unser Gepäck ab und machen uns erneut auf den Weg. Zum riesigen und auf mich irgendwie kahl wirkenden Marktplatz. Wunderschön umrahmt von Häusern unterschiedlichster Bauart hat er in der Mitte erst einmal nichts zu bieten außer Pflastersteine.
An einer Seite, dem Alten Schweden gegenüber, steht ein Renaissance- pavillon, die Wasserkunst, der von 1602 bis 1897 die Wismaer Bürgerhäuser und vor allen Dingen die zahlreichen Brauereien mit frischem Wasser versorgte. Im alten Schweden, einem bereits 1380 erbautem Haus mit einem wunderbaren Giebel, wollen wir für Abends einen Tisch reservieren, aber leider ist alles ausgebucht. Schade. Dafür hat  der Nieselregen inzwischen aufgehört, so dass wir
unsere Schirme - ja, wir haben inzwischen zwei, hurra- zusammenklappen können. Das ist doch auch etwas.
Vorbei gehts an der Titten- taster- straße, die es gar nicht mehr gibt. Ehemals soll hier eine Gasse den Markt mit der Diebsstraße verbunden haben, die so  schmal war, dass sie vom Volksmund "Tittentaster" genannt wurde. Manche Namen lösen bei mir seltsames Kopfkino aus.
Eine Kaffee- pause machen wir dann im Café Glücklich, eine Empfehlung einer ganz lieben Kollegin. Hier ist man erstmal schon glücklich, wenn man einen der wenigen Tische ergattert und noch glücklicher, wenn man einen der sicher wahnsinnig kalorienreichen Kuchenträume verspeist.So leeeeecker. Teeliebhaber kommen hier übrigens auch mal auf ihre Kosten, ich habe selten eine so umfangreiche Teekarte gesehen.
Die Nikolaikirche, unsere nächste Station, empfängt uns tatsächlich im Sonnenschein. Die Wolkendecke ist aufgerissen, der Himmel zeigt sich in strahlendem Blau.
Diese riesige Backsteinkirche beeindruckt allein schon durch ihre schiere Größe. Sie beherbergt heute viele der Kunstschätze aus den beiden anderen Kirchen, was nicht immer zu einem gelungenem Gesamteindruck führt. Die Proportionen stimmen nicht unbedingt. Manche Dinge wirken, als hätte man sie in die Ecke gestellt und dort vergessen. Man sieht, dass sie nicht für diese Kirche gemacht wurden.
Das Bauwerk selber, mit seinem 37 Metern hohen Langschiff, ist aber auf jeden Fall ein Paradebeispiel norddeutscher Backsteinkunst und sollte unbedingt besucht werden.
Wir bummeln weiter, den Graben hinunter Richtung Alter Hafen und genießen dabei, wie alle anderen Besucher, die wärmenden Strahlen der Sonne. Raus aus den Regenjacken, hurra!
Im Hafen ist inzwischen die Wissemara eingelaufen und liegt gut vertäut am Kai.
Hierbei handelt es sich um einen mit mittel- alterlichen Techniken gefertigten original- getreuen Nachbau einer Kogge aus dem 14. Jahr- hundert. Einem Wrack nachempfunden, das 1997 vor der Insel Poel gefunden wurde. Wirklich sehr beeindruckend.
Es kann besichtigt werden und man kann damit Segeltouren unternehmen. Bestimmt ein interessante Angelegenheit.
Wir pausieren erneut auf eine Bank, während ich einen Blick auf meinen Schrittzähler werfe. Oh, tatsächlich haben wir inzwischen fast zehn Kilometer zurückgelegt. Kein Wunder, dass die Füße schmerzen. Und sich ein Hungergefühl breit macht, es ist ja auch schon fast 19 Uhr. Also ab ins nicht weit entfernte Brauhaus am Lohberg.
Hinter der Fachwerkfassade hängt der Hopfen von der niedrigen Balkendecke, es gibt bodenständiges mecklemburgisches Essen und vor allen Dingen ganz hervorragendes Bier. Ich empfehle ein Glas von der Momme, einem absolut süffigen Schwarzbier. Prost!

Das reichhaltige Essen lässt sich dann hervorragend mit einem der besonderen Hausbrände

herunterspühlen. Es gibt sogar einen Brand aus dem Schwarzbier, der schmeckt fast ein wenig wie Whisky. Das Bier wird auch Außerhaus verkauft, in praktischen Einliterflaschen. Wahrscheinlich haben hier alle stets einen sehr großen Durst.
Den Rest des Abends verbringen wir auf einer Bank im Hafen und sehen von dort der Sonne zu, die spektakulär ihrem Untergang entgegensinkt.  Wirklich sehr freundlich von ihr, dass sie sich extra so viel Mühe gibt.



Müde von all diesen Laufereien und Besichtigungen schlafen wir wunderbar tief und fest in den Sonntag hinein. Nach einem ausgiebigen Frühstück im Café Senf, das unweit unseres Hotels deutlich günstiger als dort Frühstück anbietet, verbringen wir den Rest des Tages sehr erholsam in der wirklich ansprechenden  Saunalandschaft des Wonnemar Wismar, bevor wir uns am späten Nachmittag zurück Richtung Hamburg aufmachen.  Ein echt gelungenes Wochenende in einer schönen Stadt.