Kapstadt mal regnerisch...

Das wird nun der letzte Bericht unserer Südafrikareise 2017. Letzte Station Kapstadt. Doch die Frage, die sich mir zuvor stellt: Braucht die Welt noch einen Reisebericht über Kapstadt?
Es gibt bereits so unendlich viele. Und wir haben sicher nichts anderes besucht, als tausende Urlauber vor uns. Und wohl auch nach uns. Muss ich da noch etwas schreiben? Wahrscheinlich eher nicht. Doch meine Berichte wären gefühlt unvollständig, würde ich es jetzt dabei belassen. Ich kann doch nicht eine der schönsten Städte der Welt einfach weglassen.
Doch ich versuche mich kurz zu fassen.
Wir erreichen Kapstadt im Regen. Die Straßen sind nass, in den Pfützen spiegeln sich die tiefhängenden Wolken, es ist tatsächlich unangenehm kühl. Doch der Regen wird gebraucht, denn in Kapstadt und Umgebung herrscht jetzt im September die höchste Warnstufe wegen Wassermangels. Das Bewässern von Gärten, das Autowaschen, das Befüllen der Poolanlagen ist verboten, auch die Toilette soll möglichst nicht jedesmal gespült werden, das Duschwasser aufgefangen und wiederbenutzt werden. Regenwasser wird also sehnlichst erwartet und zumindest während unseres Aufenthalts versucht der Himmel diesen Mangel zu beheben. Gut für Kapstadt. Für Urlauber nicht so, aber da gelten einfach mal andere Prioritäten. Außerdem sind wir solches Wetter aus Hamburg gewohnt und ja nicht aus Zucker. Und wir haben Regenjacken, damit sind wir deutlich besser gestellt, als viele andere hier.
Unser Gästehaus liegt im Stadtteil Oranjezicht am Fuß des Tafelbergs und, hurra, wir haben sogar eine elektrische Heizung in unserem Zimmer. Wer jetzt aber glaubt, damit wäre für eine wohlig warme Raumtemperatur gesorgt, ist leider völlig schief gewickelt, denn die klägliche Wärme dieser unterdimensionierten Heizung wird von den nicht richtig abschließenden Fenstern und Türen mehr als ausgeglichen. Doch außer Regenjacken haben wir auch Fleecepullover dabei, so dass wir nicht völlig unterkühlen werden.
Als wir Abends an der Alfred- und Victoriawaterfront etwas essen gehen, reißt der Himmel auf, die Wolken verziehen sich und die schwindende Sonne taucht alles in ihr goldenes Licht. Geht doch!
Freundlicherweise haben sich die Wolken auch am nächsten Morgen noch nicht wieder versammelt, so dass wir uns spontan entschließen einen Teil dieses Tages für den Tafelberg zu reservieren. Die Idee hatten wir leider nicht allein, deshalb stehen wir eine Weile in der Schlange ohne vorgebuchte Karten für die Table Mountain Cableway, bis wir endlich hinaufschweben dürfen. Übrigens ist mein subjektiver Eindruck, dass man auch mit vorgebuchten Karten nicht viel schneller ist.
Gemeinsam mit uns erreichen übrigens auch die ersten Wolken den eisigen Gipfel des Tafelbergs und machen wegen ihrer Schnelligkeit Fotos mit Aussicht ungleich schwieriger. Aber nicht unmöglich, man muss nur zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle sein. Apropos richtige Stelle. Wo sich die befindet - nämlich nicht hinter der Absperrung - scheint hier oben nicht jedem so wirklich klar zu sein. Wir beobachten irritiert wie eine junge Asiatin mitsamt ihrer Kameraausrüstung über den Zaun steigt, die Kamera auf ihrem Stativ in Position bringt, dann noch ein wenig näher an den Abgrund klettert und sich dort in unterschiedlichste Posen wirft. Doch irgendwie spielen die Wolken nicht mit und vermiesen ihr jedes Foto, so dass sie irgendwann entnervt die Sachen wieder einsammelt  und zurückklettert. Leute gibts...
Das gute Wetter hat sich unten in Kapstadt noch gehalten, also fahren wir ins Bo-Kaap-Viertel, einem Garanten für großartige Fotomotive. Die bunten Häuser, die engen, steilen Straßen versprühen noch den Charme längst vergangener Zeiten, als sich im 17. und 18. Jahrhundert freigelassene Sklaven hier am Fuß des Signal Hills niederließen. Ihre Vorfahren stammten aus Indonesien, Sri Lanka, Indien oder Malaysia und so findet sich in diesem Stadtteil auch heute noch ein Hauch von Orient.
Darüber hinaus finden sich dort auch reichlich Oldtimer, die wie eine zusätzliche Zierde vor den bunten Häusern stehen. Wie bereits gesagt, Fotomotive ohne Ende.
So, das war es jetzt dann aber auch mit Sonne und Farbe, ab jetzt gibt es mehr grau und es wird nass. Der nächste Morgen begrüßt uns mit freundlichem Nieselregen, der sich im Laufe des Tages steigern wird. Was also tun? Wir beschließen, dass Optimismus das Gebot der Stunde ist, machen uns auf den Weg Richtung Kap-Halbinsel und ignorieren die vom Himmel kommende Feuchtigkeit einfach. Was diese nicht davon abhält sich zu einem ausgewachsenem Monsunregen zu steigern, dem allerdings leider die Wärme fehlt. Wir stehen an einer Ampel, während der Himmel über uns seine Schleusen öffnet und beobachten verwundert einen jungen Farbigen, der im strömenden Regen laut singend und mit einem Lächeln im Gesicht blaue Plastiksäcke als Regenkleidung zum Verkauf anbietet. Auch er selbst ist in schönstes Plastikblau gekleidet und hat sicher trotzdem keinen trockenen Faden mehr am Leib. Doch das scheint ihn nicht zu stören, er grinst weiter fröhlich vor sich hin und schmettert seinen Song dem Regen entgegen. Das sind die afrikanischen Momente, die ich liebe. Scheinbar unbeeindruckt das Beste aus den Widrigkeiten zu machen, so etwas ist in Europa eher selten zu erleben.
Die Pinguine am Boulders Beach scheint das Wetter auch eher nicht zu stören, einige rücken zwar etwas zusammen, doch die meisten scheinen das kalte Nass eher zu genießen. Was ich von uns nicht sagen kann, nach einem kurzen Besuch sind wir mit einem bedauerndem Blick für all die Souvenirhändler, die heute sicher nicht das Geschäft ihres Leben machen werden, wieder im Auto. Zumindest kurzfristig im Trockenen, aber nur bis wir am Kap der guten Hoffnung ankommen, wo wir das obligatorische Foto mit dem Schild im Hintergrund aufnehmen wollen. Das hatten wir bei unserem letzten Besuch im Jahr 2011 - übrigens zur gleichen Jahreszeit bei strahlendem Sonnenschein und 22 ° C - vergessen.
Erstaunlicherweise lässt der Regen etwas nach, was der stürmische Wind aber wiederum ausgleicht, so dass wir nicht wirklich wissen, ob die Feuchtigkeit in der Luft nun noch Regen ist oder die Gischt der aufgepeitschten See im Hintergrund. Ist eigentlich auch egal, nass wird man so oder so. Wir bleiben eine Weile im sicheren Fahrzeug sitzen, in der Hoffnung, dass sich das Wetter beruhigt und keine andere Fahrzeugtür die Bekanntschaft mit unserem Fiesta sucht. Der Wind ist echt heftig, die Reisegruppen um uns herum aber vorsichtig beim Öffnen der Fahrzeugtüren. Nur das Wetter hat kein Einsehen...
Also fahren wir noch ein wenig im Regen durch den Nationalpark, bevor wir uns auf den Weg zurück Richtung Kapstadt machen. Übrigens nicht wie geplant über den Chapmans Peak Drive - denn der ist geschlossen. Hätte man bei diesem Wetter wahrscheinlich eh nichts sehen können.
Wir beschließen diesen veregneten Tag in einem portugiesischen Restaurant in der Kloofstreet -   Toni´s on Kloof - vorm Kaminfeuer bei leckeren Espetadas, einer genialen Peri-Peri Sauce und einem guten Rotwein. Da kann einem das Wetter wirklich völlig egal sein.
Auch der nächste Tag - unser letzter vor der Abreise - bescherrt uns kein besseres Wetter, ist aber dadurch ideal zum bummeln und um die kleinen Mitbringsel zu besorgen. Wir verbringen viel Zeit in dem Foodmarket on the wharf an der Waterfront, probieren uns durch die Leckereien, kaufen Biltong für die Daheim gebliebenen und werfen nicht nur einen kurzen Blick in die Miniläden an der Longstreet.
Am Nachmittag dann verziehen sich die Wolken und die Sonne stattet Kapstadt einen freundlichen Besuch ab. Wie nett!
Wir versuchen mal den Tableview vom Bloubergstrand, nur der Tafelberg ziert sich und präsentiert sich wie eine spröde Schönheit verhüllt, gönnt uns keinen Blick. Doch die auf den Dünen wachsenden Blumen machen das auf jeden Fall wieder wett.
Auch der Strand in Camps Bay zeigt uns für einen Moment seine sonnige Seite, bevor die Sonne kurze Zeit später erneut hinter Nebelschwaden verschwindet.
Erst an unserem Abreisetag erleben wir Kapstadt von seiner schönsten Seite. Der Himmel ist strahlend blau, der Tafelberg fast wolkenlos, die Sonne scheint über der wohl schönsten Stadt der Welt. Schade, dass wir sie heute verlassen müssen. Aber wir kommen ja wieder. Nächstes Jahr. Bis dahin: Tschüss Capetown.




Route 62, Hermanus und Stellenbosch - oder auch ein Sexshop, fehlende Wale, Laufenten und Weingenuss

Zeit Oudtshoorn ( Oudtshoorn - wo man auf Höhlen, Erdmännchen und Union Berlin trifft ) zu verlassen. Tasächlich ist nicht mehr so viel Strecke nach, wir haben noch je einen Stop in Hermanus und Stellenbosch vor uns, bevor wir unser letztes Ziel Kapstadt erreichen.
Der Morgen ist kalt, aber klar. Wir sind als erstes im Frühstücksraum des de Zeekoe, die sind noch gar nicht vorbereitet. Dann geht es aber ganz schnell und so schaffen wir es tatsächlich schon früh auf der Straße zu sein.
Wir fahren die Route 62, die kleine Schwester der Gardenroute, eine einsame Strecke, die durch verschlafene Dörfer und eine grandiose Landschaft führt. Verlassen diese dann kurz hinter Barrydale, um wieder an die Küste zu kommen. Allerdings nicht ohne vorher Ronnies Sex Shop einen Besuch abzustatten.
Ronnies Sex Shop? Man könnte auf seltsame Gedanken kommen. Tatsächlich aber ist es ganz harmlos. Hier - in the middle of nowhere - hat Ronnie vor etlichen Jahren einen Coffeeshop eröffnet und beklagte sich darüber, dass kaum ein Tourist den Weg zu ihm fand. Freunde ergänzten dann das Wort Sex in einer Nacht- und Nebelaktion an seinem Shop und damit war das Problem behoben. Inzwischen ist das ganze eine Institution an der Route 62, kaum ein Reisender, der hier nicht für eine Pause hält, auch Prominente wie z. Bsp. Götz George haben sich bereits hierher verirrt. Was lernen wir dadurch? Sex sells...
Da wir bereits am frühen Vormittag die Stufen zur Veranda hinaufsteigen, ist es hier noch ziemlich leer. Ronnie sitzt mit Kaffeebecher an einem der Tische, ansonsten ist niemand zu sehen. Wir kriegen eine Cola und ein wenig smalltalk, bewundern die über der Bar hängenden BH´s, lesen uns durch die vielfältigen Aufkleber und Papierhinterlassenschaften, die hier Wände, Türen, Glasflächen und einfach alles zieren und freuen uns über die Vereinigung von Eisern Union und St. Pauli auf einer winzigen Glasscheibe. Was es nicht alles gibt!
Als sich die leeren Stühle auf der Veranda langsam füllen, machen wir uns wieder auf den Weg. Dieser Platz bietet die Möglichkeit einer ziemlich kurzweiligen Pause, ich kann nur jedem raten hier einzukehren.
Wir nähern uns wieder der Küste und links und rechts der Straße tauchen unvermittelt blühende Rapsfelder auf. Ich fühle mich ein wenig, als wäre ich in Schleswig-Hostein unterwegs, auch die Windstärke stimmt, es pustet ordentlich. Allerdings ragen die Hügel in der Ferne zuweit hinein in den blauen Himmel, das ist nicht so wirklich norddeutsch.
Hermanus haben wir mit in die Reiseroute aufgenommen in der Hoffnung dort noch einmal Wale sehen zu können. Bei unserem letzten Besuch hatten wir dazu nicht so wirklich Zeit, da uns deren Anblick so ablenkte, dass wir beim Einparken nur Augen für diese großartigen Geschöpfe hatten und das entgegenkommende Fahrzeug einfach übersahen. Statt Wale hatten wir dann einige Stunden auf einer südafrikanischen Polizeistation, was durchaus auch interessant war, aber wenig vergleichbar.
Diesmal haben wir Glück, insofern, als dass kein Wal zu sehen ist. Keine Möglichkeit für Unfälle also, wobei wir nun auch nur zu Fuß unterwegs sind. Auf dem Cliffpath, der idyllisch über die Klippen am Ufer entlangführt. Wir starren gebannt auf die schäumende Gischt der Brandung, aber es hilft nichts, die Wale glänzen heute durch Abwesenheit. Auch der Whale Crier, der hier jeden gesichteten Wal sozusagen mit seinem Horn markiert, ist nirgendwo zu sehen. Schade eigentlich! Gut, dass wir die Wale bereits in St. Lucia gesichtet haben...St. Lucia - Wale und Wunder
Dafür laufen uns jede Menge der possierlichen Klippschiefer über den Weg, die zwar größenmäßig nicht mit den Walen mithalten können, aber durchaus auch eine Augenweide sind.
Spaziergänge machen ja bekanntlich hungrig und wir sind froh, als wir sozusagen fast über ein beschauliches Restaurant direkt am Wasser stolpern. Bientangs Cave ist vielleicht nicht wirklich eine Höhle, eher ein Felsüberhang, aber das Essen und der Wein sind gut und das Panorama unbezahlbar.
Nach einer ruhigen Nacht im Guesthouse geht es am nächsten Tag weiter Richtung Stellenbosch. Im Weingebiet waren wir bei unserem letzten Besuch nur für eine kurze Stunde auf dem Weingut Groot Constantia, ich erinnere mich an die wunderschönen Gebäude, eine Atmosphäre von Gediegenheit und mein Unverständniss, dass dieser Reichtum an die ausufernde Armut der Townships grenzen kann ohne dass sich alle gegenseitig umbringen.
Diesmal liegt ein anderes Weingut auf unserem Weg, das wir uns ansehen wollen. Vergenoegd Wine Estate heißt es und wenn ich ehrlich bin, kommen wir weniger des Weines wegen, sondern eigentlich wegen der Laufenten. Laufenten? Ja, die werden hier eingesetzt zur Schädlingsbekämpfung und sind dabei irgendwie zur Touristenattraktion mutiert. Wir hatten selber einmal Laufenten für unseren Garten - drei Stück an der Zahl - die sich in einer Art selbstmörderischem Drang aber nach und nach dezimierten, bis wir die letzte Überlebende an eine Freundin mit Bauernhof übergaben, die sich rührend um all ihr Getier kümmert. Hier auf dem Weingut haben sie über siebenhundert dieser lustigen Geschöpfe und dreimal täglich paradieren sie quakend um das Haupthaus.
Als wir ankommen ist allerdings kein Federvieh in Sicht. Die morgendliche Parade ist bereits Geschichte und bis zum Mittag noch reichlich Zeit. Was also liegt näher, als sich mit den Köstlichkeiten dieses Weingutes unter einem Sonnenschirm niederzulassen und es sich dabei richtig gutgehen zu lassen? Wir verbringen eine angenehme Stunde bei Rotwein, Käse, Schinken, Nüssen und selbstgebackenem Brot. Beäugt von einer etwas aufgringlichen Gans, die gerne an unserem Mahl teilhaben möchte.
Und dann kommen sie schließlich, laut quakend und eiligen Schrittes mit ihren langen Hälsen umrunden sie hektisch das Haupthaus. Wahrscheinlich überlegen sie jedes Mal aufs neue was das denn soll. Keine Schnecken auf dem Weg, einfach nur laufen, welchen Sinn soll das haben? Doch die Touristen packen zufrieden ihre Kameras weg, trinken noch ein Weinchen, kaufen ein paar Souvenirs und machen sich dann auf den Weg. Wir auch. Richtung Stellenbosch.
Stellenbosch ist die zweitälteste Stadt Südafrikas und außerdem Universitätsstadt. Weinherstellung ist hier natürlich ein Studienfach, Önologie heißt es, ein Wort, dass ich vorher noch nie gehört habe. Besonders symphatisch an dieser Stadt finde ich, dass der gute Professor Abraham Isak Perold hier die Pinotage Rebe gezüchtet hat. Damit ist er der Schöpfer meiner absoluten Lieblingsrebe, die übrigens auch nur hier in Südafrika wächst.
Unser Gästehaus ist alt und sehr viktorianisch, mit Himmelbett, knarrenden Dielen und Ahnengalerien an der Wand. Es gibt auch ein Pool, das hier im Winter wohl noch niemand benutzt hat, denn als wir uns zu Wasser lassen bekommen wir Applaus von einem Gentleman, der bis dahin hinter seiner Zeitung versteckt war. Es ist aber auch ziemlich kalt, das Wasser!
Ansonsten eignet sich Stellenbosch hervorragend zum Bummeln, bietet reichlich Auswahl an Geschäften, Restaurants und alter Bausubstanz und in den warmen Monaten beschatten uralte Eichen die Gehwege und man kann im botanischen Garten der Universität vor der Hitze Zuflucht suchen.
Morgen geht es weiter in die Stadt der Städte - nach Kapstadt - wir lesen uns....











Hoffnung


Heute morgen in der Schule saß ein junges Mädchen auf ein Fensterbrett gekauert, Beine angezogen, Kopf auf den Knien und weinte laut und herzzereißend. Ihr Schmerz schien absolut, mit nichts vergleichbar und durch nichts zu lindern. Ihr zur Seite standen zwei Jungen, ein wenig hilflos wirkend, stumm, aber standhaft und rührten sich trotz Ermahnung eines Lehrers nicht von der Stelle. Ich ging vorbei, wohl wissend, dass ich nichts dazu tun könne, ihr zu helfen. Noch oben im Flur hörte ich ihre lauten Schluchzer.
Manche Tage beginnen elendig und behalten diesen Makel. Heute morgen im Auto begrüßte mich Bob Marley mit seinem Redemption song. Ein Lied, das ich mag. Doch heute treibt es mir die Tränen in die Augen. Erinnert mich an all die Ungerechtigkeit, all das Elend auf dieser Welt.  An Kinder, die keine Freiheit, ja nicht mal Frieden kennen. Die aufwachsen in einer Welt, die ihnen nichts gibt außer Hunger und Elend, die nichts anderes für sie sein kann als bedrohlich. Redemption Song. Bleibt mir im Ohr, den ganzen Tag.
Als ich später die Treppe in der Schule wieder herunterkomme sitzt das Mädchen immer noch auf der Fensterbank, allerdings der Welt wieder zugewandt, einer der Jungen auf der rechten Seite, einer auf der linken Seite. Redet. Glücklicherweise wohl doch Probleme, die sich lösen lassen. Wäre doch alles so einfach zu lösen...
Auf dem Rückweg dann noch einmal der Redemption song. Doch diesmal verbreitet er Hoffnung. Und das soll er auch. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt.

Oudtshoorn - Wo man auf Höhlen, Erdmännchen und Union Berlin trifft

Der Prince Alfred Pass hat uns über die Outeniqua Mountains gebracht, die R 341 bringt uns nach Oudtshoorn, führt uns durch kleine Ortschaften und an Bergen vorbei auf deren Gipfeln doch tatsächlich der Schnee glitzert. Winter in Südafrika.
Die kleine Karoo ist sehr ländlich und dünn besiedelt. Obwohl es sich hier um eine Halbwüste handelt, wirkt die Landschaft nicht nur karg und steinig, sondern ist bewachsen und teilweise durchaus grün zu nennen. Landschaftlich erinnert mich die Umgebung an die Weite Amerikas, also zumindest stelle ich sie mir so vor, denn bisher war ich noch nicht dort. Manchmal blühen am Wegesrand sogar gelbe oder orange Blümchen.
Unsere Gästefarm mit dem interessanten Namen de Zeekoe liegt etwas außerhalb von Oudtshoorn, ist etwas größer und über deutsche Reiseanbieter buchbar. Was man auch gleich merkt, hier sind eine ganze Menge Reisegruppen unterwegs und auch eine ganze Menge Deutsche. Wir haben uns für diese Unterkunft entschieden, da von hier die meerkat-tours starten sollen. Meerkat hat übrigens weder was mit Meer noch mit Katzen zu tun. Das ist hier einfach nur das Wort für Erdmännchen und auf die freuen wir uns natürlich ganz besonders.
Glücklicherweise sind wir nicht direkt im Hauptgebäude der Farm untergebracht, sondern haben ein "rustic cabin" gebucht und das gefällt uns wirklich ziemlich gut. Es liegt an einem kleinen See, zwei Kilometer vom Haupthaus entfernt, hat eine schöne Terrasse mit Blick aufs Wasser und ist auch für Selbstversorger gut geeignet. Es gibt sogar einen Kamin.
Allerdings bedeutet das auch, dass man zum Frühstück oder Dinner entweder zwei Kilometer hin und wieder zurück läuft oder sich ins Auto setzt. Nachdem wir den Nachmittag bereits für einen ausgedehnten Spaziergang um den See genutzt haben, der uns mit reichlich Vögeln überrascht hat, entscheiden wir uns für die faule Alternative. Wir nehmen den Wagen.
Wir sind in der Straußengegend - Oudtshoorn hat in Bezug auf Strauße eine lange Tradition. Anfang des letzten Jahrhunderts fanden die Federn ihren Weg auf die Hüte europäischer Damen und deren Gelder den Weg in die Geldbörsen der Straußenfarmbesitzer.  Heute ist das mit den Hüten vorbei, auch Staubwedel sind nicht mehr so gefragt und so werden die Strauße mehr oder weniger für die Touristen gehalten und natürlich wegen des Fleisches. Das übrigens ausgezeichnet schmeckt, wie wir am Abend feststellen. Was uns nicht ganz so gut gefällt, ist die Traumschiffmusik, die während unseres gesamten Aufenthalts im Restaurant im Hintergrund läuft. Aber das ist ja bekanntlich Geschmackssache.
Zurück in unserer Hütte begrüßt uns ein Feuer im Kamin, der Heater ist an und die Heizdecke im Bett eingeschaltet. Ääh, was für Temperaturen werden hier heute Nacht erwartet?
Die Nacht ist kalt, die Temperaturen liegen nahe am Gefrierpunkt. Dabei hatten wir tagsüber tatsächlich fast zwanzig Grad. Unsere Hütte ist leider nicht so gut abgedichtet und hat am Morgen gefühlte Gefrierschranktemperatur. Aus dem See steigt Nebel, das Wasser ist wohl deutlich wärmer als die Luft. Aber die Sonne geht zuverlässig über den Bergen auf, der Himmel ist blau und keine Wolke an demselben. Was will man mehr?
Nach dem Frühstück, übrigens dank Feuer im Ofen in einem kuscheligen Frühstücksraum, machen wir uns auf den Weg Richtung Cango Caves. Dabei handelt es sich um ein Höhlensystem in den Swartbergen und laut Reiseführer soll es sich um eines der schönsten der Welt handeln.
Vorher statten wir allerdings der Farmschule noch einen Besuch ab. Wenn ich alles richtig verstanden habe, handelt es sich hierbei um eine Initiative der umliegenden Farmen, die diese Schule erst ermöglicht haben, nämlich das Zeekoegat School Project. Wir werden durch die Schule geführt, erhalten eine Menge Informationen, bekommen viele gesangliche Einlagen zu hören und freuen uns über strahlende Kinderaugen und unbedarfte Tanzeinlagen. Die Kinder erhalten hier zwei Mahlzeiten am Tag, tatsächlich soll es für einige das einzige Essen sein, was sie am Tag zu sich nehmen. Viele von ihnen müssen jeden Tag etliche Kilometer zu Fuß zurücklegen, um die Schule zu erreichen und in der kleinen Karoo sind die Sommer heiß und die Winter durchaus kalt. Uns wird wieder einmal vor Augen geführt wie priviligiert wir leben. Wie wenig wir das häufig zu schätzen wissen. Insgesamt schon eine besondere Erfahrung.
Die Cango Caves sind eine der Hauptattraktionen der kleinen Karoo und dementsprechend voll ist es hier auch. Wobei man jetzt im Winter auch ohne Vorbuchung an einer Führung teilnehmen kann, in der Hauptsaison empfiehlt es sich wohl übers Internet vorzubuchen. Es gibt zwei unterschiedliche Touren, eine Standart- und eine Abenteuertour. Bei der Abenteuertour soll es durch enge Spalten gehen und als bekennendes Weichei ist das eher nichts für mich. Für die Standarttour zahlen wir 110 Rand ( zirka 7 Euro) und los gehts. Da wir so viele sind, wird unsere Gruppe noch einmal geteilt und Mathilda führt uns in deutscher Sprache durch die Säle. Die sind wirklich beeindruckend, kommen meiner Meinung nach aber nicht an die slowenischen Karsthöhlen heran. Eine Gänsehaut bekomme ich aber, als Mathilda im Dunkel der Höhle die südafrikanische Nationalhymne anstimmt und ihr Nkosi sikelel’ iAfrika den Raum füllt und ein Mitglied unserer Gruppe danach die Akkustik des großen Saals mit einer Arie von Händel testet und ihr Lascia ch'io pianga der im Dunkel liegenden Höhlendecke entgegenschwebt. Fantastisch und mit Worten nicht zu beschreiben.
Der Rückweg von den Höhlen führt uns wiederum durch Oudtshoorn. Wir benötigen noch Bargeld für die Meerkat-Tour am nächsten Morgen. Juhu, wir haben erneut den Freitag erwischt, was bedeutet, lange Schlangen an den Geldautomaten. Als wir endlich dran sind, freuen wir uns über den großen Stapel Zwanziger, den wir erhalten und der kaum ins Portemonaie passt.
Den Nachmittag vertrödeln wir auf unserer Veranda mit Blick auf den See, nachdem wir unsere Sockenwäsche erledigt haben. Von denen sind für vier Wochen Urlaub einfach nicht genug vorhanden. Zum Abschluss des Tages dinieren wir standesgemäß im The Colony im Queenshotel in Oudtshoorn, schließlich haben wir Hochzeitstag und vor uns hat bereits 1947 die englische Königsfamilie hier gegessen. Seit der Kolonialzeit scheint sich hier auch nicht viel verändert zu haben, auf dem Balkon sitzt ein Pärchen, sie mit Hut und wehendem Schal in einem weißen Mantel, er im Anzug mit Krawatte - was für ein Bild! Doch das Essen ist gut und das leicht angestaubte Ambiente passt hervorragend in dieses Hotel.
Am nächsten Morgen: endlich die Meerkat-Tour. Frühes Aufstehen ist angesagt.Treffpunkt ist um 6:45 Uhr, nicht etwa auf der Farm , wie wir vermutet haben, sondern an einer Kreuzung einige Kilometer entfernt. Man muss also nicht unbedingt im de Zeekoe übernachten, der einzige Vorteil ist, dass es etwas günstiger wird, wenn man in bar bezahlt (500 statt 600 Rand pro Person, z.Zt. also zirka 6 Euro Unterschied).
Hier empfängt uns Devey, so eine Art südafrikanischer Crocodile Dundee, zumindest vom Äußeren her, mit der typischen Kopfbedeckung und wettergegerbtem Gesicht. Vom Treffpunkt aus geht es dann im Konvoi mit den eigenen Fahrzeugen noch ein paar Kilometer weiter, die Autos werden abgestellt, Kaffee oder Tee ausgeschenkt und dazu die typisch südafrikanischen Trockenbiscuits gereicht. Danach kann, wer möchte, auch noch die Bushtoilette nutzen, bei der es sich zumindest für die Frauen auch um eine Art tatsächliche Toilette handelt. Schließlich greift sich jeder einen Campingstuhl und eine Decke und wir wandern gemeinsam los.
Bis zum Bau der Erdmännchen, dort werden die Campingstühle aufgeklappt, wir wickeln uns gegen die Morgenkälte in die Decken und warten. Ja, was soll ich sagen, schon kurze Zeit später stehen sind sie draußen, strecken ihre Körper den wärmenden Sonnenstrahlen entgegen und scheinen uns Menschen überhaupt nicht wahrzunehmen. Durch jahrelange Gewöhnung gehört unsere Spezies für die Erdmännchen zur Landschaft, wir sind nicht gefährlich, auch Unterhaltungen sind kein Problem. Nur Aufstehen sollen wir möglichst nicht und auch keine hektischen Bewegungen machen.
Wir sitzen und staunen. Staunen noch mehr, als die 4 Babys aus dem Bau krabbeln und unter Aufsicht im Eingangsbereich herumtollen können, während sich die anderen Tiere auf Jagd begeben. Was für ein Erlebnis! Diese etwas andere Safari kann ich auf jedem Fall uneingeschränkt empfehlen, es ist einfach nur großartig!
Voll geflasht machen wir uns auf den Rückweg, frühstücken erst einmal ordentlich, natürlich untermalt von Traumschiffmusik und überlegen danach, was wir mit dem Rest des Tages noch anfangen können. Straußenfarmen sind ja auch ein Besuchermagnet in dieser Gegend... Aber wir haben keine Lust auf die kommerziellen Farmen, die Straußenrennen veranstalten und Menschen auf den Vögeln reiten lassen. Das geht gar nicht! So suchen wir eine Weile im Netz und stoßen dabei auf das Straußennest. Eine Gästefarm von deutschen Auswanderern. Gleich vorweg, da ist es nicht vorgesehen, dass man als Besucher einfach so vorbeikommt, diese Straußenfarm ist ausschließlich für Gäste der Farm gedacht. Aber das wissen wir nicht und so machen wir uns auf den Weg. Unser Fiesta rollt über die staubige Strecke, bis wir nach einiger Zeit in der Einsamkeit ankommen, neugierig beäugt von den Straußen in ihren Gehegen und schwanzwedelnd begrüßt von zwei Golden Retrievern, die sich über den unerwarteten Besuch zu freuen scheinen. Schnell wird klar, dass wir nicht mal eben bei den Straußen hineinschauen können, trotzdem nimmt sich Carmen die Zeit uns die Gästebereiche und das Rondavel zu zeigen. Hier kann man sicher super und total individuell betreut übernachten ( Straussennest ). 
Schließlich gibt sie uns den Tipp noch einmal bei ihrem Mann auf dem Fußballplatz vorbeizuschauen. Fußballplatz?
Kurze Zeit später durchfahren wir ein Tor mit der Aufschrift Eisern Union und trauen unseren Augen kaum. Ein Rasenplatz. Hier in der steinigen Karoo. Mit Tribüne. Und Flutlichtanlage. Ein Volleyballfeld im Hintergrund. Wie ist das möglich?
Ganz einfach. Mit viel Engagement. Und mit Unterstützung deutscher Fanclubs, allen voran die des 1. FC Union Berlin. Wir verbringen hier einen kurzweiligen Nachmittag auf der Alten Försterei 2, während auf dem Platz ein Freundschaftsspiel stattfindet. Kommen aus dem Staunen nicht heraus, was Dario Urbanski hier ermöglicht hat. Erhalten ganz viele Informationen, während auf dem Platz die jugendlichen Spieler für reichlich Tore sorgen. Wer mehr wissen möchte, findet auf der Webseite ( 1.FC Union-Lategansvlei  ) jede Menge Infos. Wir sind selten so beeindruckt gewesen. Hier kann man es wirklich sehen: Fußball verbindet. Nicht nur Länder, auch Menschen. Wenn sich jemand darum kümmert. Auch und gerade als Hamburger und eher dem FC. St. Pauli zugetan müssen wir vor dieser Leistung den Hut ziehen. Einfach großartig!
Morgen werden wir Oudtshoorn auf der Route 62 wieder verlassen. Schon jetzt kann ich sagen, dass es auf unserer "Gardenroute" eines der Highlights war. Hier werden wir sicher noch einmal vorbeischauen.