Budapest

Was erwartet man von einem Budapestbesuch Ende Oktober? Also, wir dachten an strahlende Herbsttage, klare Luft und die in der Sonne funkelnde Donau. So ein Städteurlaub wie aus dem Katalog halt. Hat nicht ganz geklappt! Die ungarische Metropole hat sich wettermäßig an den allgemeinen mitteleuropäischen Trend des Jahres 2017 angepasst und sich die meisten Tage unseres Aufenthaltes in mittel- bis dunkelgrau gehüllt und mit Nässe nicht gegeizt. Doch Budapest kann gerne versuchen seine Reize zu verstecken, so ganz gelingt das auch in grau gehüllt nicht. Was wir besucht haben? Was wir empfehlen können? Das folgt nun...
Unsere Ferienwohnung liegt im Burgviertel und so können wir die Matthiaskirche zu Fuß erreichen, zehn Minuten, diverse Treppenstufen und wir sind da. Übrigens tatsächlich noch bei Sonnenschein an unserem Ankunftstag. Absolut sehenswert ragt der gotische Turm dieses Wahrzeichen 72 Meter in den noch blauen Himmel und die Mischung aus Früh-, Spät,- und Neogotik, gekrönt von einem bunten Ziegeldach ist nicht nur von außen imens beeindruckend.
Im 19. Jahrhundert versuchte man die mittelalterliche Wandbemalung im Inneren der Kirche zu rekonstruieren, ergänzt durch individuelle Muster und eigene Interpretation, ich persönlich finde das ganze wirklich gelungen. Allerdings kann ich keine Aussage darüber treffen, wie historisch stilecht das nun ist. Den Sissi-Fans unter euch sei gesagt, dass hier die offiziele Krönung von Kaiser Franz-Josef und seiner berühmten Angetrauten zum König und Königin von Ungarn stattfand.
Direkt neben der Matthiaskirche befindet sich die Fischerbastei.
Auch diese dürfen wir noch im Schein der abendlichen Budapester Sonne genießen, und zwar sogar ohne Jacke!
Aussehen tut die Fischerbastei wie eine mittelalterliche Festungsanlage, aber da täuscht sie den Betrachter. Gebaut wurde sie von 1899 bis 1902 und ist eigentlich mehr ein dekoratives Element in Verbindung mit der Matthiaskirche. Allerdings ein durchaus gelungenes, das einen grandiosen Ausblick auf die Donau und das gegenüberliegende Donauufer samt imposanten Parlamentsgebäude ermöglicht.
Das Parlamentsgebäude...
Zu diesem gigantischen Gebäude, das das ungarische Parlament beheimatet, haben wir während unseres Aufenthaltes eine ganz besondere Beziehung entwickelt. Und ich kann nicht wirklich behaupten, dass es eine gute Beziehung geworden ist. Das liegt nicht an dem, was das ungarische Parlament so verabschiedet - obwohl auch das meist nicht meine Zustimmung finden würde - sondern an den Hürden, die man bewältigen muss, wenn man dieses Parlament besichtigen will. Und das wollen wir. Dieses Gebäude soll 268 Meter lang, 123 Meter breit und 96 Meter hoch sein, 691 Räume, 27 Eingänge und 20 Kilometer Treppen beheimaten, ein Gebäude der Superlative also, natürlich wollen wir es besichtigen. Doch wir finden einfach nicht zueinander. Tickets gibt es nur über eine Internetseite, jegymester.hu, heißt sie und wir tun unser möglichstes, nur mit der Bezahlung klappt es trotz Kreditkarte einfach nicht. Macht ja nichts, denken wir, kaufen wir die Tickets halt vor Ort. Aber Pustekuchen, das ist stets nur für den aktuellen Tag möglich, wenn noch Tickets über sind. Und das Parlament grad nicht tagt. Trotz 5 Tagen Aufenthalt wird es einfach nichts mit uns und dem Parlament. So bleibt das Innere dieses Gebäudes für uns vorerst ein Mysterium. Vielleicht müssen wir noch einmal wiederkommen.
Doch es gibt ja noch jede Menge anderer Gebäude in Budapest. Die Große Markthalle zum Beispiel. Bei Regenwetter bietet die sich auf jeden Fall an. Aber natürlich nicht nur bei Regenwetter. Kulinarisch kann man sich hier auf jeden Fall komplett eindecken und bei dem Grau außerhalb der Halle erfreut sich das Auge an all den Farben, Düften und Geschmackskomponenten, die sich hier finden. Übrigens sind hier nicht nur Touristen unterwegs, sondern auch die Budapester kaufen hier ein.
Im oberen Teil der Halle findet sich ein ziemlich überfülltes Restaurant und die typischen ungarischen Souvenirs, die man nicht essen kann und die ich freundlich ausgedrückt nur als etwas aus der Zeit gefallen bezeichnen kann. Wer bitte kauft solche Spitzendeckchen oder Häkelblusen?
Bleiben wir bei den Gebäuden und begeben uns ins jüdische Viertel. In die große Synagoge. Es regnet wie aus Eimern, als wir dort ankommen, glücklicherweise haben wir in der U-Bahn von einem findigen Verkäufer noch einen Schirm erworben, sogar einen mit Durchblick.


Es dauert eine Weile, die mit bunten Regenschirmen dekorierte Schlange am Eingang ist lang. Aber unsere Geduld wird belohnt, denn das Innere der Synagoge ist nicht nur beeindruckend wie die gesamte Architektur des Gebäudes, sondern wir können auch noch an einer kostenlosen deutschen Führung teilnehmen. Wir erhalten eine Menge Informationen rund um den jüdischen Glauben und die Geschichte der Synagoge und des Stadtteils. Und über die Verfolgung und Vernichtung während der Nazizeit. Es befindet sich außerdem ein Friedhof für die jüdischen Märtyrer des Budapester Getthos im Garten der Synagoge, was, wenn ich es richtig verstanden habe, eigentlich nicht üblich oder erlaubt ist im jüdischen Glauben. Doch die vielen tausend Toten mussten irgendwo beigesetzt werden, so wurden hier damals zwei Massengräber geschaffen. Es ist für mich immer wieder schwer vorstellbar, dass Menschen anderen Menschen so etwas antun können.
Am meisten beeindruckt auf dem Gelände der Synagoge hat mich aber die weinende Trauerweide, ein Denkmal für die Opfer des ungarischen Holocaust. Die Blätter sind kleine Metalltäfelchen, auf denen die Namen jüdischer Opfer des Faschismus eingraviert sind. Jedes Blatt ein toter Mensch. Zahllose nicht gelebte Träume, begrabene Hoffnungen und Wünsche. Sachte bewegen sie sich im Wind, schlagen leise klingend aneinander, glitzernde Regentropfen bleiben an ihnen hängen, fallen schließlich zu Boden. Ein wirklich angemessenes Mahnmal.
Das jüdische Viertel in Budapest - eigentlich richtig Elisabethviertel - hat uns nicht nur überrascht, sondern auch wirklich gut gefallen. In den engen Straßen und Gassen existieren orthodoxe jüdische Synagogen direkt neben angesagten Bars und Cafés. Es gibt Restaurants mit leckerem Essen, koschere Lokalitäten liegen durchaus auch mal neben libanesischen Restaurants. Das ganze wirkt irgendwie richtig multikulti und es scheint, dass ein friedliches Miteinander der unterschiedlichsten Lebensstile möglich ist. Ein hoffnungsvoller Stadtteil!
Hier liegt auch das Szimpla, wo wir während unseres Aufenthaltes mehr als einmal eingekehrt sind. Das Szimpla ist die Mutter aller Abbruchklubs. Marode, teilweise halb verfallene Altbauten wurden vor ihrem Abriss zwischenvermietet an Gastronomen oder Künstler. Manche davon haben sich so etabliert, dass sie schon seit Jahren laufen. So wie das Szimpla.
Hier finden Märkte statt, es gibt Konzerte, Kinoabende, diverse Bars und alles was man sich von einer quirligen Begegnungsstätte wünscht. Wir haben uns hier sehr wohl gefühlt.
Genauso beeindruckend wie die weinende Trauerweide auf dem Gelände der großen Synagoge ist übrigens ein weiteres Mahnmal, das man am Donauufer unterhalb des Parlamentes findet: das Holocaust-Mahnmal. Es ist ganz schlicht, vielleicht grad deshalb aber auch so eindringlich, besteht nur aus wie zufällig platzierten Schuhen aus Gusseisen. Welche Bedeutung hinter diesem Mahnmal steckt?
Hier am Donauufer wurden zum Ende des 2. Weltkrieges viele Juden einfach hinterrücks erschossen, die Leichen fielen in den Fluss, das Wasser der Donau sollte sie hinfortspülen. Zuvor aber mussten sie noch ihre Schuhe ausziehen. So stehen hier nun sechzig Paar Schuhe einsam am Ufer und erinnern uns daran was Menschen anderen Menschen antun können. Regen zum Nachdenken an. Lassen uns sprachlos und traurig zurück.
Natürlich sind wir aber auch anderweitig nicht nur innerhalb von Gebäude unterwegs. Seltene Augenblicke bescherren uns sogar einzelne Sonnenstrahlen.
An einem leicht bewölkten Morgen haben wir uns deshalb zu Fuß aufgemacht ins Burgviertel zum königlichen Palast, müssen aber schon an der Matthiaskirche einen ordentlichen Regenschauer abwarten, bevor es weiter gehen kann.

Der Eingang zum königlichen Palast sieht aus wie ein Eingang zum königlichen Palast, sonst haben die Gebäude aber wohl schon bessere Zeiten gesehen. Im Inneren befinden sich das historische Museum Budapests, die  Nationalgalerie und die Nationalbibliothek, wovon man letztere nicht besichtigen kann. Die anderen sparen wir uns auch und genießen stattdessen lieber die schöne Aussicht, während wir durch die Gärten wieder zur Donau hinabschlendern. Man kann auch die Standseilbahn dafür nutzen, aber gegen die Kälte hilft dann doch eher Bewegung. Glücklicherweise regnet es nicht.
Auf unserem Weg hinab treffen wir dann auch noch auf die Kavalerie...
Und weil wir heute so gut im rauf und runterklettern sind, nehmen wir gleich den nächsten Hügel in Angriff, der uns hinauf auf den Gellertberg bringt. Hier oben gibt es eine Zitadelle, eine Freiheitsstatue, die nicht nur ein wenig an monumentale Figuren aus der Sowjetzeit erinnert, sondern genau so eine ist, und ganz viel Aussicht. Die wäre sicher mit Sonnenschein noch viel schöner, aber da haben wir leider keinen Einfluß drauf.
Apropos monumentale Figuren... Da gibt es in Budapest doch so einen Park, der genau diese ausstellt. Nämlich der Memento Park. Der liegt am Rande Budapests und wir brauchen mit dem Bus von der Haltestelle újbuda központ eine ganze Weile bis wir dort sind. Tatsächlich sieht es hier nicht mehr nach Stadt aus, hier ist außer dem Park so gar nichts.
Als wir ankommen begrüßt uns Lenin von seinem hohen Sockel und dunkle Wolken hängen drohend über dem Park. Doch wir lassen uns nicht beirren, zahlen an der Kasse - die uns zurückversetzt in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts -  unseren Eintritt und begeben uns mit Schirm bewaffnet auf das Gelände. Hier sind sie wieder alle. Die fast vergessenen Helden der Sowjetzeit. Hoch ragen sie in den dunklen Himmel, wahrscheinlich nicht ahnend, dass sie längst Geschichte sind.
Ein Besuch lohnt sich, obwohl weniger zu sehen ist als wir erwartet haben. Doch die Atmosphäre ist sehr speziell und hier wird in keiner Weise heroisiert, sondern mit Fingerspitzengespür präsentiert.
Natürlich haben wir noch jede Menge mehr besucht. Den Heldenplatz zum Beispiel.
Zwischen zwei Regenschauern auf dem Weg zur Burg Vajdahunyad, jenem seltsamen Bauensemble, das irgendwann Ende der Achtzehnhundertneunziger zu einer Landesausstellung entworfen, sämtliche in Ungarn auffindbaren Baustile vereinigt. Eine Art Disneylandburg, die dabei durchaus ihren Charme hat.
Wir waren oft und gerne mit der Budapester Metro unterwegs, die nicht nur häufig ziemlich tief und in kurzen Abständen fährt, sondern auch über Rolltreppen verfügt, die uns rasant in die Tiefe bringen und mir das Gefühl geben, unsere Hamburger Rolltreppen befinden sich mehr oder weniger im Zustand des Stillstands. Einige Bahnhöfe und Zugwagons vermitteln dabei den Eindruck vor mindestens hundert Jahren in der Zeit stehen geblieben zu sein.
Wir haben gerne oft und reichlich gegessen. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir dabei einmal das Paprika in der Nähe des Heldenplatzes und die konyvbar im jüdischen Viertel.
Wir haben den Westbahnhof gesehen, der das vornehmste Mc Donalds Restaurant Europas beherbergt, waren im Opernhaus, sind ganz viel Straßenbahn gefahren und haben in den Metrostationen tatsächlich noch dem einen oder anderen übrig gebliebenen "Zigeunermusiker" lauschen dürfen. Ja, ich weiß, die Bezeichnung ist politisch sicher nicht korrekt, aber Romamusiker ist absolut nicht gängig. Davon scheint es übrigens nicht mehr viele zu geben in Budapest. Bei unserem ersten Besuch Anfang der Neunziger waren diese tatsächlich allgegenwärtig, überall hörte man die fast klagenden Klänge der Geigen. Scheinen verstummt zu sein, warum weiß ich nicht...
Vielleicht hat euch diese kleine Auswahl an Möglichkeiten Lust gemacht Budapest selber zu besuchen. Macht das! Ich wünsche euch ganz viel Spaß dabei.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen