Herbstliches Mittelmeer - Collioure, Strand und Katharerburgen

Von Carcassonne aus geht es am nächsten Morgen weiter Richtung Mittelmeer. Freundlicherweise weist der bisher recht grau gefärbte Himmel die ersten Lücken auf, durch die das Blau zu erkennen ist, auf das wir schon länger hoffen. Hurra!
Da es bis zu unserer nächsten Unterkunft - einem Mobilwohnheim auf einem Campingplatz in Alènya - nicht gar so weit ist, machen wir einen Abstecher ins Réserve Africaine, das direkt an unserer Strecke liegt. Ein Safaripark, in dem sich Löwen, Elefanten und Nashörner tummeln sollen und der laut unserem Reiseführer durchaus einen Besuch wert sein soll. An der Strecke stehen überall  riesengroße Hinweisschilder, so dass man diesen Park gar nicht verpassen kann. Mit 32 € Eintritt pro Person auch nicht gerade ein Schnäppchen, wie wir finden. Umso gespannter sind wir was der Park zu bieten hat.
Doch tatsächlich empfinden wir diesen eher als enttäuschend. Sicher sind wir verwöhnt, da wir bereits einige Male im südlichen Afrika unterwegs waren. Doch auch im Vergleich mit dem in der Nähe von Hamburg liegenden Serengetipark schneidet das Réserve Africaine eher schlecht ab. Außer einem einzelnen afrikanischem Elefanten ist kein Vertreter dieser Spezies in dem kargen Gehege oder sonst irgendwo zu entdecken, die Anlage wirkt in Teilen trostlos und in die Jahre gekommen. Vielleicht haben wir aber auch nur zu viel anderes, noch dazu in freier Wildbahn gesehen.
Für einen kurzweiligen Nachmittag aber reicht es allemal, wenn man das Auto verlassen hat, die Wege sind nett angelegt und führen so durch den Park, dass auch die Aussicht auf den Etang de Sigean nicht zu kurz kommt.
Der Campingplatz, auf dem sich unsere Unterkunft für die nächsten Tage befindet, liegt bei unserer Ankunft einsam in der Nachmittagssonne. Lediglich ein pflichtbewusster Hund begrüßt uns mit lautem Gebell und verteidigt zähnefletschend die geschlossene Rezeption. Glücklicherweise ist er laut genug, so dass nach einer Weile auch der Campingplatzbesitzer auftaucht, um nach dem rechten zu sehen.
Unser Mobilwohnheim ist einfach, aber mit allem ausgestattet, was man so braucht. Nur unsere mitgebrachten Bettbezüge passen nicht so recht über das französische Bettzeug. Schließlich schläft man in Frankreich gemeinsam unter einer Decke, ungeachtet der Tatsache, dass dabei in der Regel einer das Nachsehen hat. Nach einigem hin- und hergetausche hat aber jeder das Bettzeug, das er benötigt.
Es bleibt noch ein wenig Zeit, um den Strand von St-Cyprien-Plage aufzusuchen. Der Ort ist nicht unbedingt schön zu nennen, besteht hauptsächlich aus zu dieser Jahreszeit verrammelten Ferienhäusern, die sich in Form und Farbe gleich an der Hauptdurchgangsstraße aneinanderreihen. Aber der Himmel ist blau, das Wasser zwar kühl, aber noch auszuhalten, die Sonne steht tief über dem Horizont und wir freuen uns über das Gefühl im Spätsommer angekommen zu sein.
Den nächsten Tag nutzen wir, um die Küste Richtung Süden hinunter zu fahren. Die Sonne scheint zuverlässig vom blauen Himmel, während wir der Küstenstraße folgen. Erster Halt, der Ort Collioure, ein wunderschönes Städtchen mit Festungsanlage, dessen einziges Manko die spärlichen Parkplätze sind. Trotzdem gelingt es uns nach eifriger Suche einen solchen zu finden.
Collioure ist ein kleiner französischer Fischerort, dem es gelungen ist seinen ursprünglichen Charme zu bewahren. Henri Matisse soll hier seine Bilder gemalt haben, begeistert und inspiriert von den Farben des Ortes. Es gibt eine Wehrkirche, eine trutzige Festungsanlage, verwinkelte Altstadtgassen und mehrere Stadtstrände, alles im schönsten Licht der Mittelmeersonne. Wir bummeln eine Weile durch die Stadt und lassen uns schließlich auf ein Getränk in einem Café an der Uferpromenade nieder. Genießen die Sonne auf unserer blassen Haut und den Blick über die glitzernde Wasserfläche.
Schließlich räumen wir unseren Parkplatz, der übrigens heiß begehrt ist und fahren weiter gen Süden. Der Plan: einen Sandstrand für den Nachmittag finden, um denselben faul in der Sonne und natürlich auch im Wasser zu verbringen. Gar nicht so einfach, wie sich herausstellt. Nicht dass es an Stränden mangeln würde, keineswegs, aber mit den dazugehörigen Parkmöglichkeiten sieht es mau aus. Wir brauchen also eine Weile bis wir fündig werden. Südlich von Port Vendre finden wir sie dann, die ultimative Badebucht mit ausreichend Parkplätzen. Ein kleiner Fußmarsch durch eine Art Park und man erreicht eine kleine Badebucht mit allem was der Strandurlauber so braucht. Site de l´Anse de Paulilles heißt der Ort und hier stand die Dynamitfabrik Alfred Nobels. Was für ein Zufall! Die andere Dynamitfabrik dieses Herrn stand in Geesthacht, nur wenige Kilometer von meinem Wohnort entfernt.
Wir bleiben bis der Strand im Schatten liegt und es Zeit wird aus den nassen Badesachen herauszukommen. Nasse Badesachen? Ja, wir waren im Wasser. Schließlich sind wir aus Norddeutschland und nicht aus Zucker. Die Südfranzosen mögen ja um diese Zeit ihre Häuser winterfest machen und den Kragen hochschlagen, für uns ist aber immer noch Badewetter.
Den nächsten Tag nutzen wir, um noch mehr über die Katharer oder besser ihre letzten Rückzugsorte zu erfahren. Ihr erinnert euch? Das waren jene, die meinten mit einer eigenen Kirche hätte man gute Chancen sich gegen die römisch-katholische Kirche samt Papst und den französischen König aufzulehnen. Was schon im 12. Jahrhundert keine wirklich gute Idee war. Wir sind bereits in Carcassonne über sie gestolpert.
Unser Weg führt uns an alten Ruinen vorbei, aus denen bereits Bäume wachsen und an Feldern voller Weinreben, meist schon abgeerntet, bis auf jene, die wir kosten müssen, weil sie uns fast von selbst in die Hände fallen. Selten so süße Trauben gegessen. Langsam geht es hinauf ins Gebirge und uns wird klar warum diese Trutzburgen sich so lange halten konnten. Tatsächlich scheinen sie in dieser einsamen Gegend geradezu mit dem Berg verwachsen zu sein. Man sieht sie einfach nicht.
Die erste Burg, die wir ansteuern ist das Château de Peyrepertuse, das 800 Meter über dem Örtchen Duilhac-sous-Peyrepertuse thront und aus dem Tal wie ein Teil des Felsgesteins anmutet. Erst auf dem Parkplatz angekommen, erkennt man die trutzigen Mauern. Wir zahlen unseren Eintritt, schauen überascht auf den Warnhinweis, der dringend Wanderschuhe anrät und machen uns auf den Weg, nein, besser den Bergziegenpfad, der uns um den Felsen herum in die Höhe zum Eingang führt. Gut, dass wir wenigstens feste Schuhe anhaben, also die meisten von uns...
Das Château ist mit einer Gesamtfläche von 7000 m2 ein riesiges Areal auf unterschiedlichen Ebenen, das von seinen Mauern unglaubliche Blicke in die Landschaft ermöglicht. So wie es angelegt ist, erscheint es mir auf alle Fälle uneinnehmbar. Wir streifen eine ganze Weile zwischen den Felswänden umher, wobei unsere Tochter Milena ihre ganz eigenen Wege geht und beim Klettern auf diesen steinigen Ziegenpfaden plötzlich erschreckt stehenbleibt. Eine Schlange! Die schnell noch fotografiert werden muss, bevor der Rückzug angetreten wird.
Auf den obersten Teil dieses Châteaus gelange ich nicht mehr, mein Knie findet dieses dauernde Klettern nicht so lustig. Also bleibe ich im Schatten auf einem Felsen sitzen, während der Rest meiner Familie über Geröll und Felsen bis zum obersten Turm hinaufklettert. Auf meinem Felsen sitzend lausche ich den schrillen Rufen der Falken, die den Gipfel umkreisen. Die Luft ist frisch und klar, Kräuterduft kitzelt meine Nase. Ich lasse meinen Blick über die unter mir sich ausbreitende Landschaft schweifen und versuche mir vorzustellen, wie es gewesen sein mag, hier oben seinen Glauben oder was auch immer gegen den Rest der Welt zu verteidigen. Ein geschichtsträchtiger Ort. Sehenswert. Auch ohne, dass ein Interesse an Geschichte besteht.
Da wir inzwischen geübt darin sind über schmale Pfade und Felsen zu wandeln, suchen wir für unser mittägliches Picknick einen anderen verzauberten Ort auf. Natürlich ähnlich schwierig zu erreichen, wie unsere Burg. Ein Feldweg führt von der Straße kurz hinter dem Ortsausgang von Duilhac bis zur Gorges du Verdouble. Hier gibt es sogar einen Parkplatz, der im Sommer wohl gebührenpflichtig ist, jetzt aber ohne Aufsicht im herbstlichen Sonnenschein vor sich hin träumt. Ein Wohnmobil steht im Schatten der Bäume am Fluss, zwei weitere Autos auf dem weitläufigen Areal des Parkplatzes und weitere Lebenszeichen sind nicht auszumachen.
Eine Brücke, die über die Verdouble führt, ist zwar noch zu erkennen, aber nicht mehr benutzbar. Also nutzen wir den lehmigen Ziegenpfad an der zerklüfteten Felswand, um in die Schlucht zu gelangen, die größtenteils bereits im Schatten liegt. Über die flach gespülten Felsen gehts auf die andere Seite und wir lassen uns im sich zurückziehenden Sonnenschein nieder, um unsere Baguettes zu verzehren, während um uns herum das Wasser gurgelt. Unbezahlbar!
Hätte mir jemand erzählt, dass das Château de Peyrepertuse noch zu toppen ist, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt. Doch wir haben uns noch eine weiter Burg vorgenommen, die ebenfalls, einem Vogelnest gleich, hoch oben auf einem Berggipfel thront. Das Château de Quéribus. Auch hier klettert wir vom Besucherparkplatz zehn Minuten steil bergauf, bis wir uns zu Füßen dieser hoch über uns aufragenden Burg befinden.
Mein Blick bleibt an den trutzigen Mauern hängen. Wie wir inzwischen wissen, waren die Katharer hartnäckig. Auch nachdem ihr Machtzentrum Carcassonne 1209 in die Hände der Katholiken fiel, gaben sie nicht auf. Verschanzten sich in verschiedensten Burgen. Eine der bedeutensten war Montsegur. Hier fand die katharische Gemeinde samt ihrem Bischof ihren letzten Rückzugsort. Diese uneinnehmbare Festung in einer sehr unzugänglichen Landschaft musste sich dann aber auch im Frühjahr 1244 nach zehn Monaten Widerstand dem Kreuzfahrerheer ergeben, das vor ihren Mauern lagerte. Wer seinem Glauben nicht abschwören wollte, wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Zimperlich waren die nicht damals! Angeblich hat keiner seinen Glauben aufgeben wollen, so dass alle zweihundert Katharer im Feuer den Tod fanden.
Die Festung Quéribus aber hielt noch bis zum Jahr 1255 durch.
Wenn man hier oben steht, an die Mauern gelehnt, die die Wärme der Sonne gespeichert haben, den Blick über die kahlen Berggipfel schweifen lässt, ist es schwer sich vorzustellen, dass dieser friedliche Ort Schauplatz solcher Auseinandersetzungen war. Der Ausblick ist unvorstellbar schön und jede der unzähligen steinernen Treppenstufen wert, die man erklimmen muss, um ihn zu genießen.
Tatsächlich haben wir auch unwahrscheinliches Glück mit dem Wetter, das hier oben nicht selten auch sehr ungemütlich sein kann. Häufig pfeipt in diesen Höhen ein heftiger Wind, der einen an solch herbstlichen Tagen durchaus frösteln lassen wird.
Wir kraxeln eine ganze Weile zwischen den Mauern umher, bevor wir uns wieder an den Abstieg machen. Es ist bereits später Nachmittag. Zeit sich wieder auf den Weg zurück zu unseren Mobilheim zu machen.
Der nächste Tag ist unser letzter am Mittelmeer. Danach wollen wir weiterfahren in die Pyrenäen. Was liegt also näher, als noch einen Strandtag einzulegen? Die Sonne scheint auch heute zuverlässig und nach anfänglicher morgendlicher Kühle wird es schnell warm. Wir fahren an der Küste entlang Richtung Norden, vorbei am Etang de Leucate, bis wir in der Nähe des Cap Leucate einen langgezogenen Sandstrand finden. Das ist unser! Also Auto parken, Handtücher raus und ordentlich am Strand faulenzen.
Wie schön, dass uns auch heute noch so spätsommerliche Temperaturen vergönnt sind. Natürlich gehen wir auch noch einmal baden. Wer weiß denn schon, wann und ob das in diesem Jahr noch einmal möglich ist?
Damit wir den Tag nicht nur faulenzend verbringen, bummeln wir nach diesem Badetag noch ein wenig durch Leucate, das recht einsam in der spätnachmittäglichen Sonne liegt, die die farbig bemalten Häuser in ihr goldenes Licht taucht, werfen einen Blick auf die spärlichen Reste einer ehemaligen Festung, bevor wir uns auf den Rückweg machen. Tschüß Mittelmeer, wir fahren morgen ab ins Gebirge!




Zwei Tage in Carcassonne



Zuhause haben wir ein Spiel. Carcassonne heißt es und als unsere Kinder jünger waren, haben wir es oft gespielt. Bei diesem taktischen Brettspiel entsteht nach und nach eine Landkarte mit Straßen, Klöstern, Wiesen und befestigten Städten. Die Kinder fanden es immer faszinierend und auch für uns Erwachsene war es keinesfalls langweilig. Carcassone ist aber auch ein realer Ort. Dort liegt nämlich Europas größte und besterhaltene mittelalterliche Festungsanlage.  In Südfrankreich steht diese Perle aller mittelalterlichen Städte, in einer geschichtsträchtigen Gegend, unweit der Großstadt Toulouse.
Genau da fliegen wir jetzt hin, diesmal zu dritt mit Tochter Milena. Wir haben noch einige Tage Urlaub und hoffen auf Sonne und Wärme im herbstlichen Süden. Glücklicherweise sind wir nicht vom Streik bei Eurowings betroffen, unser Flug wird von Germanwings durchgeführt und alles klappt problemlos. Das Flugzeug ist ungewöhnlich leer, fast schon ein wenig unheimlich. Vielleicht ist Toulouse nicht so das gängige Reiseziel? Wer weiß das schon...

Mit dem Mietwagen machen wir uns auf den Weg und sind schon am frühen Nachmittag in Carcassonne. Unser Hotel liegt in fußläufiger Entfernung zur Cité in einer der vielen engen Einbahnstraßen. Côté Cité heißt es, befindet sich in einem Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, das von Madame Simone regiert wird. Die uns auch gleich auf dem Hof freundlich mit einem französischen Wortschwall empfängt, nachdem wir unserem Renault entstiegen sind. Der Rest meiner Familie schaut mich irritiert fragend an, doch auch mein eingerostetes Gehirn kann die vielen französischen Worte so schnell nicht in einen logischen Zusammenhang bringen. Der letzte Frankreichurlaub ist schon einige Jährchen her und mein Schulfranzösisch fest verschlossen in einer wenig benutzten Schublade meines Gedächtnisses verstaut. Madame Simone kann auch kein Englisch, aber nach kurzer Zeit und Unterstützung durch so eine Art Gebärdensprache kommen wir gut miteinander klar.
Unser Zimmer erfüllt alle mittelalterlichen Klischees, Himmelbett, stuckverzierte, unerreichbar hohe Decken, antike Holzmöbel, Wandtüren, hinter denen sich das Bad versteckt und – natürlich – einen Kronleuchter. Ans Mittelalter angelehnt ist das elektrische Kaminfeuer, alles in allem ein Traum.
Wir richten uns ein und machen uns dann auf den Weg für eine erste Erkundung der über uns thronenden Festungsanlage. 
Auf Anraten von Madame Simone suchen wir als erstes eine Brücke auf, von der man die Cité in ihrer ganzen Pracht und Größe überblicken kann. Was für ein Anblick! Schade nur, dass das Wetter nicht so richtig mitspielt, so dass der Himmel sich der Festungsfarbe angleicht.
Danach steigen wir hinauf, um uns etwas später in den schmalen Gassen mit den wunderschönen Fachwerkfassaden wiederzufinden. Natürlich sind wir nicht allein, viele andere Touristen sind hier auf dem historischen Pflaster unterwegs. Carcassonne ist seit 1997 Weltkulturerbe und im Languedoc die am meisten besuchte Sehenswürdigkeit. Trotzdem sind an diesem wolkenverhangenen Herbsttag nicht so viele Menschen in der Stadt unterwegs, wie ich angenommen habe.
Kurze Zeit später haben wir Hunger und kollidieren damit – wie so oft – mit den französischen Essenszeiten. Alle Empfehlungen Madame Simones haben um diese Uhrzeit natürlich noch geschlossen, kein renommiertes Lokal öffnet in Frankreich vor 19 Uhr seine Pforten. Das ist unseren Mägen aber völlig egal und so sitzen wir schließlich in einem touristischen Restaurant am Place Marcou und verzehren unsere erste Cassoulet, eine Art südfranzösischen Eintopf. Die ganz schön viele weiße Bohnen beinhaltet. Trotzdem ist sie lecker und im Restaurant ist es warm, denn frecher weise hat es draußen begonnen zu regnen. Das haben wir so nicht bestellt. Angesichts des Wetters verzichten wir auf unser Nachtfoto von der Aussichtsbrücke, machen uns im strömenden Regen auf den Weg zurück zum Hotel und beschließen den Abend lesend im Himmelbett vor dem flackernden Elektrofeuer.
Unser üppiges Frühstück am nächsten Morgen bekommen wir in einem wunderschönen Salon serviert, danach machen wir uns erneut auf den Weg die Cité zu erkunden. Schließlich wollen wir noch das Château Comtal ansehen, das als letzte Fluchtburg auf der Westseite der Cité errichtet wurde. Und natürlich wollen wir auch über die Festungsmauern spazieren.
Nebel hüllt die Stadt ein, während wir zum Porte Narbonne hinaufstapfen, die Wolken hängen tief. Wird wohl heute nichts mit Fotos der Festungsanlage vor blauem Himmel im strahlenden Sonnenschein. Naja, man kann eben nicht alles haben. 
Während wir durch das Tor treten, frage ich mich unwillkürlich, wie es wohl gewesen sein mag sich hinter diesen Mauern zu verschanzen. Wie haben sich die Bewohner Carcassonnes gefühlt, als sie in den Albigenserkriegen von einem Kreuzfahrerheer belagert wurden? Ihr fragt euch warum in der christlichen Welt Christen ihre eigenen Festungsanlagen belagerten? Scheint tatsächlich absurd, war aber so. Im Languedoc haben sie nämlich im 12. Jahrhundert ihre eigene Kirche gegründet. Mit ihrer eigenen Vorstellung vom Glauben erkannten die sogenannten Katharer den römischen Papst nicht an und wo sie schon einmal dabei waren, den französischen König schon mal gar nicht. Wie man sich vorstellen kann, war das nicht sehr hilfreich, die heilige römische Kirche reagierte mit der Inquisition, der französische König mit anderen Formen der Gewalt. Überall im Land loderten die Scheiterhaufen, es wurde gemetzelt, niedergebrannt, zerstört und abgeschlachtet. Keine schöne Zeit!  Trotzdem hielten die Katharer noch eine ganze Weile aus, verschanzt in abgelegenen Bergfestungen gingen sie weiterhin im Verborgenen ihrem Glauben nach. Carcassonne musste sich übrigens im heißen Sommer 1209 nach zwölf Tagen Belagerung dem Kreuzfahrerheer ergeben. Wasserknappheit, ausbrechende Seuchen und die sengende Sommerhitze waren dafür verantwortlich. 
Von einer solchen sind wir heute weit entfernt, der Nebel hüllt die mittelalterlichen Mauern immer mehr ein, lässt Türmchen und Zinnen nur noch schemenhaft erahnen und verschluckt die Geräusche der umherstreifenden Touristengruppen. Wir zahlen den Eintritt für das Château Comtal, durchstreifen die kahlen Räume und wandern über die Mauern und Befestigungsanlagen. Es geht treppauf und treppab, während der Nebel nach und nach die Dächer der Stadt verschwinden lässt. Was für eine seltsame Stimmung, die den Ort noch verwunschener, noch mystischer erscheinen lässt. Nach unzähligen Schritten und nachdem mein Knie ganz klar erklärt, dass es nun genug hat, gönnen wir uns eine Pause auf dem Place Marcou. Es beginnt erneut zu nieseln. Was also machen wir mit dem restlichen Tag bei diesem entzückenden Wetter?
Unser Reiseführer weiß Rat und so machen wir uns kurze Zeit später mit dem Mietwagen auf den Weg eine Tropfsteinhöhle zu besichtigen. Das geht auch im Regen. Unser Weg führt uns am Canal Midi entlang, der Verlängerung des Flusses Garonne, der gebaut wurde, um einen schnellen Weg vom Atlantik zum Mittelmeer zu schaffen. Wobei schnell hier vielleicht nicht der richtige Ausdruck ist, denn das Reisetempo der Boote lässt sich doch eher mit gemächlich umschreiben und wird durch eine Vielzahl von Schleusen gebremst. Aber diese Route erspart die Umrundung der iberischen Halbinsel und somit war es früher sicher durchaus eine Zeitersparnis.
Auf dem Weg zu den Grottes de Limousis finden sich nur wenige Orte, es wird einsam um uns herum. Dort angekommen ist die Führung gerade im Aufbruch, hastig bezahlen wir unseren Eintritt und laufen der Gruppe hinterher. Im Eingang lagern Weinfässer, den Wein kann man später auch in einem kleinen Shop kaufen. Unser Führer parliert wunderbar auf französisch, dem wir leider nicht folgen können, Erklärungen auf Englisch oder gar eine Führung in englischer Sprache ist nicht vorgesehen. Für uns muss also die Höhle an sich reichen und das tut sie durchaus.
Das Highlight findet sich in der letzten Höhle, ein Aragonit, der größte der Welt, der dort versteinerten Schneekristallen gleich verzaubert von der Decke hängt. Mit musikalischer Untermalung wird er den Besuchern so präsentiert, dass er auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Als wir die Höhle verlassen, scheint die Sonne. Und begleitet uns auf unserem Rückweg. Überzieht Schafe, Lämmer und Hütehunde mit einem goldenen Glanz.
Unser Rückweg führt uns an Burgen und interessanten Fahrzeugen vorbei, an herbstlich rot gefärbtem Laub und rauschenden Bächen, bis wir in der Dämmerung Carcassonne wieder erreichen. Wir essen erneut in der Cité - Entenbrust, ausgesprochen lecker - streifen noch eine Weile durch die beleuchteten mittelalterlichen Gassen, versuchen ein nächtliches Foto der angestrahlten Festung und kuscheln uns schließlich in unsere Decken. Morgen gehts weiter ans Mittelmeer, irgendwo müssen wir den späten Sommer doch nocht finden.