Luftholen in Kühlungsborn

Manchmal ergibt sich auch bei mir mal ein spontaner Kurzurlaub. Eigentlich sollte der Ofenbauer kommen, wir haben frei genommen und wie das mit Plänen so ist, plötzlich ist alles anders. Der Ofenbauer kann erst eine Woche später und bei uns ist es an der Zeit für eine kurze Pause am Wasser.
Also mache ich mich auf die Suche nach etwas Bezahlbarem im Internet und stoße dabei auf das Apartmenthaus Monika in Kühlungsborn. Der Name klingt jetzt erstmal nicht so vielversprechend, die Bilder sehen aber gut aus und der Preis ist unschlagbar. So buche ich das ganze kurzerhand und ein paar Tage später fahren wir los.
In Kühlungsborn waren wir schon einmal, hatten das aber wegen eines akuten Blinddarmes nach einer Nacht abbrechen müssen. Der Blinddarm ist inzwischen übrigens Geschichte. Wer mich kennt, wird sich wundern, dass ich ein Reiseziel ausgewählt habe, dass in weniger als zwei Stunden erreichbar ist, aber ich bekam gerade eine akute Besichtigungsüberdosis diagnostiziert und wollte alles ein wenig einfacher und stressfreier gestalten. Dafür ist Kühlungsborn, mit seiner erfrischenden Unaufgeregtheit absolt perfekt.
Das Apartment- haus Monika liegt knappe 100 Meter entfernt von der Seebrücke und entgegen meiner aus dem Namen resultierenden Befürchtung ist es ganz hervorragend ausgestattet. Sogar ein eigener kostenfreier Parkplatz wird hier geboten und ein Balkon mit seitlichem Meerblick. Also, man muss schon genau gucken...
Kühlungsborn liegt 25 km von Rostock entfernt, direkt an der Mecklenburger Bucht und hat eine lange Tradition als Seebadort, bereits 1847 wurden die ersten Badeprospekte gedruckt. Auch zu FDGB-Feriendienstzeiten in der DDR war Kühlungsborn beliebt und während der Hochsaison immer ausgebucht, so dass es tatsächlich häufig zu Versorgungsengpässen gekommen sein soll.
eines der nicht sanierten Gebäude an der Strandpromenade

Das ist heute nicht mehr der Fall. Es gibt Bäckereien, Restaurants, Eisdielen, Bierhäuser, eigentlich alles, was der Urlauber so braucht. Wahrscheinlich auch vieles was er nicht unbedingt braucht. Unser erster Spaziergang die 3150 Meter lange Strandpromenade hinunter, übrigens Deutschlands längste, offenbart uns, dass hier gründlich saniert und viele historische Bauten wiederhergestellt wurden. Und es darf kein Gebäude höher gebaut werden, als die höchsten Bäume gewachsen sind. Das nenn ich mal eine vernünftige Bauvorschrift.
An zentralen Stellen sind auch reichlich Bänke auf- gestellt, so dass man die letzten wärmenden Herbstsonnenstrahlen genießen kann. 
So ein ausgedehnter Spaziergang macht ja durstig und hungrig, deshalb besuchen wir danach das Ostseebrauhaus, wo wir glücklicherweise noch einen der letzten freien Tische ergattern können. Dort gibts süffiges selbstgebrautes Bier und zünftiges Essen, alles lecker und preislich erschwinglich. Nachdem wir uns der Völlerei gänzlich hingegeben hatten, spazieren wir noch einmal ein wenig, aber
nur bis zum Ende der Seebrücke, auf der zahlreiche Angler ihre Köder geduldig im Wasser baden und beenden den Tag dann entspannt vor dem Fernseher. Ja, tatsächlich! Auch das kann passieren.
Für den nächsten Tag ist dann etwas körperliche Aktivität angesagt, radfahren bis ins 15 km entfernt liegende Rerik. Räder haben wir aus Hamburg mitgenommen, da hier der europäische Ostseeradwanderweg vorbeiführt, den wollen wir nutzen.
Die ersten Kilometer durch Kühlungsborn lassen sich wunderbar fahren. An der Promenade müssen wir dann noch schnell den Holzmann auf der Bank  fotografieren, neben dem gestern die ganze Zeit eine alte, leicht verlodderte Dame gesessen hatte, die einfach nicht aufstand, so dass gestern kein Foto möglich war. Vielleicht mochte sie den Mann und hätte gern seine Hand gehalten, wer weiß?
Als wir den Campingplatz in Kühlungsborn hinter uns gelassen haben, geht es eigentlich nur noch bergauf, einer kleinen Landstraße folgend, fernab der Ostsee, die man nur gelegentlich erspähen kann. So habe ich mir den europäischen Ostseeradwanderweg nicht vorgestellt. Natürlich gibt es auch noch reichlich Gegenwind, wie sollte es anders sein? Ich bin ja mehr so der Radfahrer fürs windfreie Flachland, so dass der arme Thias sich mein Geschimpfe anhören muss.



Nach einigen mühsamen Kilometern nähert sich der Radweg dann doch der offenen See an. Ein kurzer Seitenblick lässt uns unvermittelt stoppen, da hat sich doch wirklich jemand am Strand voll verausgabt und unendliche Massen an Steintürmchen fabriziert. Einige tatsächlich sogar mannsgroß. Wahnsinn. Offiziell heißen diese Steintürmchen im
deutsch- sprachigen Raum Steinmännchen und waren Weg- markierungen oder sollten vor bösartigen Trollen schützen. Die hätten hier auf jeden Fall keine Chance gehabt.
Auch den Rest des Weges nach Rerik geht es weiterhin bei Gegenwind stetig bergauf. Mir war wirklich nicht bewusst, dass wir in solch hügeliger Gegend unterwegs sind. Manchmal hilft nur noch schieben.
Endlich angekommen hat sich der Himmel bedenklich zugezogen. Egal! Wir gönnen uns ein Fischbrötchen am beschaulichen Hafen am Salzhaff und machen uns dann auf die Suche nach dem Fahrradladen. Unsere Luftpumpe hat sich nämlich zerlegt und meine Fahrradreifen würden sich über ein wenig zusätzliche Luft freuen. Meine Beinmuskulatur auch!
Gesucht. Gefunden. Aufgefüllt. Ein unkomplizierter Laden. Man benutzt den Kompressor und darf dann wieder fahren. Ohne Geld zu bezahlen. Super!
Auf dem Rückweg geht es erstaunlicherweise wirklich nur bergab. Zusätzlich ist der Wind abgeflaut und hat auch nicht gedreht, wie sonst immer in solchen Situationen. Soweit, so gut! Aber natürlich fängt es an zu regnen. Tja, man kann eben nicht alles haben.
Zurück in unserer Ferienwohnung packen wir deshalb spontan unsere Badetasche und verziehen uns ins nahe gelegene Kübomare, einer Wellness- und Freizeitoase. Für 14 Euro pro Person darf man hier drei Stunden saunieren und schwimmen. Bei dem Regen draußen sicher die richtige Wahl.
Für den nächsten Tag haben wir eine Fahrt mit der Molli geplant. Halt! Ich wurde inzwischen eines Besseren belehrt und weiß nun, dass es aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen der Molli heißt, also in dem Falle "mit dem Molli".  Wie auch immer, damit wollen wir nach Bad Doberan fahren und warten am frühen Vormittag am Bahnhof Kühlungsborn Ost auf die Einfahrt desselben. Schon beeindruckend, wenn die Lok so hereinschnauft. Sitzt man dann erst im Wagen, fühlt man sich in eine andere Zeit zurückversetzt, während die Landschaft an einem vorbeizieht und der Dampf der Lokomotive in dem herbstlich verfärbten Blätterdach der Bäume hängenzubleiben scheint. In den alten Waggons kommt sogar noch ein Schaffner, in diesem Fall eine Schaffnerin, die die Fahrkarten abknipst. Ein wenig fühle ich mich in meine frühe Kindheit zurückversetzt, in der solche Züge noch regelmäßig verkehrten und mich mein Opa stets vom Bahnhof abholte.

In Bad Doberan fährt der Zug dann laut tutend mitten durch die Hauptgeschäftsstraße. Es scheint, als könne man die Hauswände beühren. Auch sehr besonders.
Bad Doberan ist ein hübsches, kleines Städtchen mit teilweise ansprechenden historischen Bauten. Wir bummeln ein Weilchen durchs Städtchen und machen uns dann auf den Weg zum Dobberaner Münster, die im späten 13. Jahrhundert erbaute Kirche des dortigem ehemaligen Zisterzienserklosters. So ganz ohne Besichtigung gehts dann auch wieder nicht.
Von außen schlichte nordische Backsteingotik, beeindruckt vor allem die im Inneren noch intakte reichhaltige Ausstattung und die schöne
Farbgebung. Leider lassen wir uns zu einer Turm- und Gewölbeführung hinreißen. In Wismar hatte eine solche
uns ausnehmend gut gefallen und wir erhoffen uns ähnliches hier. Doch die Hoffnung ist trügerisch!
Ich habe selten einen so monoton vorgetragenen, auswendig gelernten Monolog gehört. Der noch dazu fast zwei Stunden dauert.
Die Kinder in unserer Gruppe hätten einen Orden verdient, sie halten tatsächlich die ganze Zeit durch, allerdings nicht ohne gelegentlich die Augen zu verdrehen. Wobei der gute Mann sich wirklich auskennt, doch auch mir fällt es schwer mich über längere Zeit auf den Inhalt dessen zu konzentrieren, was er erzählt. Insofern sind wir froh, als wir wieder draußen sind und erneut im leichten Nieselregen stehen.
Nach einer Currywurst mit Pommes (ja, manchmal haben wir auch kulinarische Entgleisungen) geht es per Molli zurück bis Heiligendamm, das sich als ausgesprochen überraschend erweist.
Der Bahnhof Heiligen- damm liegt mitten im herbst- lichen Wald und auch nachdem wir ihn verlassen haben, ist außer Wald irgendwie nichts zu sehen. Hmmmh, befremdlich... Hier sollte der G8-Gipfel stattgefunden haben?
Nachdem wir eine Weile dem Waldweg gefolgt sind, erreichen wir einen Parkplatz. Weit und breit nichts, was an einen tatsächlichen Ort erinnert. Lediglich ein Restaurant mit einer nicht mehr vorhandenen Minigolfbahn. Seltsam. Hinter dem Parkplatz dann endlich die Ostsee. Hurra!



Der Blick nach links offenbart uns dann: Es gibt eine Promenade, eine Seebrücke, ein Grand-Hotel  und einige verfallene klassizistische Villen, aus denen bereits kleine Baumschösslinge wachsen.


Wir schlendern die Promenade Richtung Grand-Hotel und fragen uns irritiert, was es mit diesen Villen auf sich hat. Wohnen tut dort auf jeden Fall niemand. Hier scheint eigentlich gar niemand zu wohnen. Außer im Grand-Hotel. Einige der Gäste haben wohl grad Ausgang. Man erkennt sie an ihren Armanianzügen, den gut geknoteten Krawatten, den allgegenwärtigen Smartphones am Ohr und dem smarten Gesichtsausdruck. Sie wirken wie Fremdkörper auf der Seebrücke. Ein illustrer Kreis, was einem an der Pforte des Grand-Hotels auch gleich bewusst gemacht wird. Nicht dass sich jemand aufs Gelände verirrt.
Heiligendamm scheint tatsächlich nur aus diesem Hotel zu bestehen. So gesehen war es natürlich der geeignete Ort für ein Treffen dieser irgendwie außerhalb der normalen Realität agierenden Politiker. Darüber hinaus war er natürlich hervorragend abzuriegeln. Die Zäune sind weg, dafür stehen jetzt andere Barrieren.
Auf dem Rückweg zerbrechen wir uns den Kopf darüber, warum jemand diese wunderschönen Villen dem Verfall überlässt. Im Nachhinein erfahren wir, dass  die in Köln ansässige Fundus Gruppe die Häuser bereits 1993 erworben hatte und diese jetzt verfallen lässt. Die sogenannte Perlenkette von 7 Villen aus dem 19. Jahrhundert hat den 1. und den 2. Weltkrieg und 40 Jahre DDR überlebt. Ob sie eine Gesellschaft von Kapitalanlegern überlebt scheint mehr als fraglich. Seltsame Welt!
Wir flüchten vor dem beginnenden Nieselregen in das einzige Eiscafé an der Promenade. Fragen uns
anfänglich, ob wir uns das überhaupt leisten können, doch die Preise sind moderat.
Nach Eis und Café Latte gehts zurück Richtung Bahnhof. Auf dem Weg stolpern wir sozusagen über wunderschöne Pilze. Also fürs Foto. Nicht für den Kochtopf.
Ein wenig müssen wir noch warten, bis der Molli in den Bahnhof einfährt und uns zurück nach Kühlungsborn bringt. Tja, und dann ist auch dieser Kurzurlaub wieder zu Ende. Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg nach Hamburg, dort wartet der Ofenbauer.











Ferien zu Haus

Wenn ihr euch den Song von I-Fire im Video hier unten anhört, ist es natürlich ganz klar, warum die alle Ferien zu Hause machen. Es fehlt das Geld!


Wie singen sie so schön, die Jungs aus Hamburg-Bergedorf: Heiyoo, die ganze Welt fliegt weg...
Ist was dran, wo auch immer ich mich umhöre, die meisten Leute fliegen oder fahren tatsächlich mindestens einmal im Jahr in den Urlaub. Ich natürlich auch, wobei ich eher so drei- bis viermal fahre und mir gelegentlich schon die Frage anhören muss, ob ich eigentlich 60 Tage Urlaub habe.
Warum aber flüchten wir alle? Ist es zuhaus nicht so schön? Leben wir hier nur in tristem Grau? Oder schauen wir vielleicht nicht so genau hin? Weil alles schon so bekannt ist? Weil alles zum Alltag gehört?
Ich lebe gern hier, wo ich lebe. In Curslack, einem Teil der Vierlanden, die wiederrum zur Millionenmetropole Hamburg gehören. In meine Heimatstadt kommen jährlich hunderttausende von Besuchern, um sie sich anzusehen. So schlimm kanns also hier gar nicht sein.

Wenn ich so drüber nachdenke, ist es eigentlich zu allen Jahreszeiten irgendwie schön. Im Frühling fängt alles an zu blühen, das gefällt so gar unserer Katze.


Auch versteinerte Lebewesen strecken ihr Gesicht den wärmenden Sonnenstrahlen entgegen, überall schreit es nach
neuem Leben, manche arbeiten auch ganz aktiv daran...
Frösche kommen aus dem Wasser und sonnen sich auf den Seerosenblättern. Die Natur erwacht, erst langsam, um dann ekstatisch zu explodieren.



Und das Beste von allem, man kann Feuer machen, sogar besonders große, denn es ist Zeit für das Osterfeuer. Diese Feuer haben eine lange Tradition. Schon die alten Ägypter entzündeten große Scheiterhaufen, um die Sonne auf die Erde zu locken und den Winter zu vertreiben. In unserem ländlichen Teil Hamburgs sieht man am Abend des Ostersamstags etliche Feuer auf den Feldern lodern. Nicht immer zur Freude der Hamburger Feuerwehr.

Im Sommer geht die Sonne schon früh über der Elbe auf, die sich durch die Marschlandschaft windet. Manchmal liegen Nebelschwaden über dem Flussbett und verzaubern die Landschaft.

Manchmal macht sich der Fluss auch breiter, als er eigentlich ist.

Setzt alles unter Wasser und zeigt uns einmal mehr, dass Natur nicht beherrschbar ist.

Der Sommer zeigt uns aber auch, in welch frucht- barer Gegend wir leben, überall grünt es, überall summt es, überall wächst etwas. Auch da, wo wir es vielleicht gar nicht wollen. Oftmals machen wir uns nicht bewusst, wie privilegiert wir sind, wie gut es uns geht. 
Sommer ist die Zeit, sich aufs Fahrrad zu setzen und einfach loszuradeln. Man findet immer schöne Orte.

Und wenn man nicht mehr radeln mag, setzt man sich in eine

Beachbar am Hafen, trinkt ein kaltes Bier und lässt den Blick über das Wasser schweifen.

Das schöne am norddeutschen Sommer ist, man kann auch dann Feuer machen, es gibt genug Nächte, die dafür kalt genug sind.

Im Herbst geht die Sonne dann später auf, es wird kühler, die Tage werden kürzer und man verfängt sich in allgegenwärtigen Spinnennetzen.
Überall schießen Pilze aus dem Boden, auch auf unserem Rasen, wo sie eigent- lich gar nichts zu suchen haben.
und natürlich kann man auch im Herbst Feuer machen...

Im Winter präsentiert sich die Elbe dann im eisigen Outfit. Also manchmal zumindest.

 Dann kann man in der Eiseskälte spazieren gehen.

Man kann auch den guten norddeutschen Eiswein ernten.
Oder in den Hamburger Hafen fahren, um den Fortschritt an besonders steuergeförderten Bauprojekten zu überprüfen. 


Mit Blick auf die Rickmer Rickmers einen Glühwein trinken...

oder einfach eine Rundfahrt durch den Hafen machen, um sich anzusehen wie schön unsere Stadt doch ist. 

Im Winter kann man natürlich besonders gut Feuer machen und weil es so kalt ist, hat man gleich noch einen Grund einen Glühwein oder einen Eierpunsch mehr zu trinken.
Es ist durchaus schön hier, das ist mir schon klar.  Und wie heißt es im Lied von I-fire: ...ich liebe diese Stadt, drum ist das alles gar nicht tragisch... 
Warum fahre ich dann trotzdem immer wieder weg? 
Das hat drei Gründe:
Erstens ist grau nicht meine Lieblingsfarbe. Denn obwohl meine Fotos ein strahlendes Hamburg zeigen, gibt es hier durchschnittlich 133 Regentage pro Jahr. Und auch an den Tagen, an denen es nicht regnet, ist nicht automatisch blauer Himmel. Ich bin ein Sonnenkind und habe es gerne warm.
Zweitens bin ich ein absolut neugieriger Mensch und muss immer wissen, was hinter der nächsten Ecke ist. Das erfahre ich nicht, wenn ich hier bleibe.
Drittens bin ich irgendwie unfähig meinen Alltag abzustellen, wenn ich zu Hause bleibe. So ist jeder Urlaub auch immer eine Flucht aus dem Alltag.
Aber...
Es kommt drauf an was man draus macht. Da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.
Und hier noch einmal Originalton I-Fire:
...Scheiß drauf, man sieht sich im Freibad für 1,70...