Akureyri unter Wolken

Islands "Hauptstadt des Nordens", die nur 50 Kilometer südlich des nördlichen Polarkreises liegt, haben wir uns gleich für mehrere Tage als Standort gewählt. Einmal weil es von hier aus eine Menge zu entdecken gibt, aber auch der Wohnung wegen, die für isländische Verhältnisse recht günstig mitten in der kleinen Stadt liegt. Und eine Waschmaschine hat, was bei über 3 Wochen Urlaub durchaus von Vorteil sein kann.
Leider hat das gute Wetter, das uns so lange Zeit zuverlässig begleitet hat, nicht in diesen Fjord gefunden. Hartnäckig krallt sich während unseres Aufenthaltes eine dunkle Wolkendecke dort fest und denkt auch nicht im Traum daran sich zu verziehen, sondern schüttet auch noch ergiebige Güsse über uns aus. Gut, dass wir Regensachen dabei haben!
Nach unserer ersten Nacht schlendern wir durch den kleinen Hafen, auf der Suche nach den Schiffen, die zur Walbeobachtung hinausfahren. Ursprünglich hatte ich dafür eher mit dem Walbeobachtungsort schlechthin, nämlich Husavik, geliebäugelt. Der auch nicht sooo furchtbar weit entfernt liegt. Doch nachdem wir mit einer Meeresbiologin aus Deutschland gesprochen haben, die uns bei einem Anbieter hier freundlich begrüßt, entscheiden wir uns spontan um. Die Wahrscheinlichkeit hier im Eyjafjörður Wale zu entdecken, liegt bei 95%, in dieser Saison soll es lediglich bei zwei Fahrten nicht geklappt haben. Husavik liegt direkt am offenen Meer, je nach Windstärke kann so eine Walbeobachtung schon mal recht ungemütlich werden und für nicht so seefeste Personen auch zu spontanen Magenentleerungen führen. Hier auf dem geschützt liegenden Fjord ist das eher nicht zu befürchten. Wir buchen spontan für Mittags, nachdem wir unsere Wetterapp befragt haben, die behauptet, dass es dann zumindest trocken sein wird.
Ein bißchen Heimatgefühl kommt auf, während wir Mittags darauf warten auf das Schiff gelassen zu werden. Wir sollen nämlich mit der Ambassador starten, einem in Hamburg gebauten ehemaligen Polizeischiff. Doch aus irgendwelchen Gründen wird es dann die arctic circle, die uns hinaus auf den Fjord bringt. Tatsächlich regnet es nicht, aber es ist schneidend kalt, als wir oben auf der Beobachtungsplattform mit ständig laufender Nase im eisigen Fahrtwind stehen. Augen immer aufs Wasser gerichtet. Während wir mit einem deutschen Pärchen plaudern, die mit der Fähre von Hirtshals gekommen sind. Die berichten, dass Wellen im Atlantik durchaus andere Ausmaße haben können, so dass es ordentlich geschaukelt hat auf ihrer Überfahrt.
Wir fahren eine Stunde bis sich die erste Fluke zeigt. Und obwohl es nicht meine ersten Wale sind, steigen mir die Tränen in die Augen. Was für majestätische Geschöpfe! Was für ein Glück sie sehen zu dürfen! Eine andere junge Meeresbiologin erklärt uns in gut verständlichem Englisch so allerhand über die Buckelwale. Wir erfahren, dass die männlichen Buckelwale für ihre Damen singen, und zwar in unterschiedlichen Dialekten, je nachdem, ob sie aus dem Atlantik oder dem Pazifik stammen. Fünf Buckelwale können wir an diesem Nachmittag beobachten, die um unser Schiff herum immer wieder auf- und abtauchen. Ich vergesse die Kälte, das schlechte Wetter und alles Böse in dieser Welt. Die Erde ist voller Wunder...
Völlig durchgefroren werden wir nach drei Stunden wieder im Hafen von Akureyri abgeladen. Voller neuer Eindrücke. Wärmen uns mit heißem Tee, kochen uns etwas in unserer Küche mit Aussicht auf den Fjord, schauen aus dem Fenster, während draußen das Grau in Dämmerung übergeht. Und die Tropfen an der Fensterscheibe hinabrinnen.
Auch der nächste Tag begrüßt uns mit Regen. Was also tun an so einem regnerischen Tag? Beim Frühstücken durchblättern wir unseren Reiseführer und stoßen auf Museen... gar nicht mal so wenig. Gut, dann wird das heute mal unser kultureller Tag. Ab ins Auto und los gehts. Wir beginnen mit einer Einlage für den Herren, und zwar dem, der gerne auf zwei Rädern unterwegs ist. Es gibt hier ein Motorradmuseum. Eines, das entstand, um den Traum von Bjarni Heiðar Johansen wahr werden zu lassen, der 2006 bei einem Motorradunfall verstarb. Mit viel Engagement haben seine Freunde dafür gesorgt, dass dieser Traum Wirklichkeit wurde.
Tatsächlich bin ich als Frau auch nicht ganz unbegeistert. Das haben die wirklich gut zusammengetragen. Dabei so Kleinigkeiten wie die ersten Motorradbesitzerinnen Islands nicht vergessen. Zeigen wirklich unterschiedlichste Facetten dieses Hobbys. Der Göttergatte ist sowieso hin und weg, spätestens nachdem er sein eigenes Mottorrad von damals gefunden hat, kniet er ergriffen nieder.
Vielen Dank, Bjarni Heiðar Johansen. Das war ein spannender Besuch.
Wir bleiben der südlichen Richtung treu und es geht raus aus Akureyri. Und wir treffen: den Weihnachtsmann... Mit seinen Rentiere hatten wir ja bereits das Vergnügen. Aber hier scheint er selbst zu wohnen. Sogar seine Wäsche hängt im Garten auf der Leine.

Tatsächlich ist dieses Weihnachtsmannhaus vor den Toren von Akureyri bezaubernd und wirkt auf mich in gar keiner Weise kitschig. Wer durch die Tür dieses roten Hauses schreitet, findet sich mitten in Weihnachten wieder. Egal zu welcher Jahreszeit. Im Hintergrund erklingen Weihnachtsmelodien aller Herren Länder und man kann ungestört stöbern in all den Dingen, die eigentlich niemand braucht. Die aber trotzdem wunderschön sind. Also, die meisten...
Unser kultureller Ausflug führt uns weiter zu einer der sechs erhaltenen Torfkirchen des Landes. Hier wollen wir unsere mitgebrachten Brote verspeisen. Also, nicht in der Kirche natürlich, sondern auf einer Wiese oder was auch immer es dort in der Nähe geben mag. Aber vorher stolpern wir über den Tischler Sverrir Hermannsson. Oder besser über das, was er hinterlassen hat. Das Museum der kleinen Dinge. Der gute Sverrir konnte nämlich einfach nichts wegschmeißen, er sammelte einfach alles. Nicht nur unzählige Werkzeuge, auch Alltagsgegenstände wie Schlüssel, Bleistifte, Brillen, Töpfe und, und, und begrüßen uns in den Räumlichkeiten des Museums akribisch angeordnet. Eine faszinierende Zusammenstellung.

Die uns nachdenklich wieder entlässt. Was ist aus unserer Gesellschaft geworden, die Dinge produziert, um sie kurze Zeit später auf den Müllbergen landen zu lassen? Dinge, die niemand mehr achtet, weil sie sich vermeindlich überholt haben. Wer ist nun verrückter? Sverrir Hermannsson, der nichts entsorgen konnte oder wir, die alles innerhalb kürzester Zeit ersetzen?
In dieser Stimmung finden wir uns vor der Torfkirche wieder. Glücklicherweise hat der Regen inzwischen aufgehört, doch die Wolken hängen immer noch tief. Wir essen unsere Brote auf einer feuchten Wiese mit Blick auf die Berge. Stromern danach noch einmal um die Kirche und entdecken noch mehr alte Dinge, die rostig mit der Natur verwachsen sind. Hier muss mal ein funktionierender Hof gewesen sein und wir sind auf seine Hinterlassenschaften gestoßen.
Die jetzt ausrangiert mit der Wiese verwachsen sind. Stumme Zeugnisse ehemaligen Lebens. Wer genau hinhört, hört sie gemeinsam im Chor davon singen... Oder sind es die Elfen? Ich weiß es nicht.
Auch die restlichen Tage bleiben verregnet. Trotzdem machen wir uns jeden Tag auf den Weg. Was wir noch gemacht haben? Wir sind die Halbinsel Tröllaskagi hinaufgefahren, haben uns in einer alten Fischfabrik umgesehen und versucht, die Berge hinter den tiefhängenden Wolken zu erahnen. Haben sogar im Regen ein Eis gegessen. Schmeckt auch nass, kann ich euch sagen.
Wir haben am verregneten Stadtfest in Akureyri teilgenommen, das sogar live vom isländischen Fernsehen übertragen wurde. Allerdings können wir uns mit der musikalischen Darbietung nicht so wirklich anfreunden. Doch die von Kerzen beleuchtete Treppe hinauf zur Kirche ist sehr schön. Nur schwer zu fotografieren, da eigentlich ständig jemand im Weg herum steht. Überhaupt findet dieses Stadtfest nur wenige Stunden statt und am nächsten Morgen ist alles, was daran erinnern hätte können, schon wieder verschwunden.
Sehr schön ist auch unser Ausflug zum Museumshof Laufas, der am Ostufer des Fjords liegt. Tatsächlich lugt an diesem Tag die Sonne (!) kurz durch die dichten Wolken. Ein Highlight! Aus Torf und Grassoden errichtet, gewährt der Hof einen wirklich guten Einblick in das Leben der Menschen in der damaligen Zeit.
Folgt man der Straße weiter, trifft man auf den eher untouristischen, kleinen Ort Grenivik. Der zu unserer Freude grad von der Sonne beschienen wird und dadurch wirkt, als hätte man ihn gradewegs aus der Waschmaschine geholt und zum trocknen aufgehängt. So sauber!
Was ihr sonst noch unbedingt in Akureyri machen müsst? Esst ein Stück Torte im Bláa Kannan. Und ärgert euch nicht über den Preis. Genießt einfach den fabelhaften Geschmack und das nette Ambiente. Verfehlen könnt ihr das Café nicht, es ist in dem leuchtend blauen Haus, das sich direkt in der Einkaufsstraße befindet.
und jetzt, wo wir Akureyri verlassen müssen, enthüllen sich die Berge und die Sonne scheint über der Stadt. Frechheit!




2 Kommentare:

  1. So, jetzt habe ich alle Islandberichte durchgearbeitet. Tolle Bilder, tolle Eindrücke. Besten Dank, dass ich die Reise mit euch nochmal erleben darf.

    Viele Grüße
    Isabelle

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    1. Vielen Dank:) ... Ich bin aber noch nicht fertig, liebe Isabelle, zwei Berichte fehlen noch.

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