Island - der Süden bis Vik

Wir verabschieden uns von den Islandpferden, die gegenüber unserer Hütte auf einer Weide stehen und machen uns auf den Weg.
Islands Süden ist unser nächstes Ziel. Erst einmal der grüne Teil, der sich bis Vik erstreckt und der für isländische Verhältnisse wegen seiner Nähe zu Reykjavik, den etwas höheren Temperaturen und längeren Wachstumsphasen noch recht dicht besiedelt ist. Es ist leicht bewölkt, die Sonne scheint gelegentlich durch einzelne Wolkenlücken, als wir am frühen Vormittag den Ort Selfoss erreichen. Und zum ersten Mal feststellen müssen, dass unsere bevorzugte Supermarktkette Bonus erst um 11 Uhr am Morgen öffnet. Es ist gerade 10 Uhr, also weichen wir auf einen anderen Discounter aus, um unsere Lebensmittelvorräte aufzufrischen. Ich würde Selfoss nicht unbedingt als schönen Ort bezeichnen, aber Einkaufsmöglichkeiten gibt es reichlich, ein ausgezeichneter Versorgungsort.
Auf den Wiesen links und rechts der Ringstraße liegt gut verpackt das abgeerntete Heu, Futter für die langen, kalten Wintermonate. Als hätte jemand riesige Marshmallows ins Grün gekleckst.
Unsere erste Pause machen wir am Seljalandsfoss. Wir parken am Straßenrand der Zufahrtsstraße, der Parkplatz ist bereits voll. Und - wie sollte es anders sein - es beginnt zu nieseln. Eine hartnäckige Wolke hat sich am Rand der Klippen festgehängt und taucht alles in freundliches Grau. Böse Wolke!
Wir lassen uns nicht beirren, ziehen erneut unsere Regenjacken an und machen uns auf den Weg. Der Seljalandsfoss fällt 60 Meter von den Klippen in die Tiefe und das besondere an ihm ist, dass man über einen glitschigen Pfad auch hinter den Wasserfall gelangen kann. Was eine völlig neue Perspektive gibt. Außerdem ist es dann egal, ob es ein wenig nieselt. Nass wird man sowieso, ob nun durch Regenwasser oder Wasserfallnebel.
Der Seljalandsfoss ist ein ziemlich bekanntes touristisches Ziel, deshalb ist es auch hier recht voll. Auf dem Weg zum Glufrafoss, der nur wenige hundert Meter  entfernt hinter einem Felsen versteckt am Campingplatz liegt, ist bereits deutlich weniger los.Tatsächlich kann man diesen Wasserfall nur erreichen, indem man elegant über nasse, rutschige Steine tänzelt oder gleich durch das Wasser watet. Da wir davon ausgehen, dass es direkt am Wasserfall einer Dusche gleichkommt, begnügen wir uns mit dem Blick durch die Felsspalte.
Als wir unser Gästehaus erreichen, das nicht weit entfernt liegt, hat es grad wieder aufgehört zu regnen. Es ist noch früh, aber wir können unsere Zimmer schon beziehen und machen uns auch gleich danach wieder auf den Weg, schließlich hat die Gegend noch so viel mehr zu bieten. Nach einigen Kilometern beginnt es zu schütten. Eigentlich wollen wir zum Skógafoss, aber nicht bei diesem Wolkenbruch. Links der Ringstraße verhüllen tiefhängende dunkle Wolken die steilen Hänge, unsere Scheibenwischer mühen sich mit den Wassermassen ab, mein Blick verirrt sich im dunklen Grau. Irgendwo dort oben liegt der Eyjafjallajökull. Der Vulkan unter diesem Gletscher hat im Frühjahr 2010 nicht nur das Leben hier aus den Fugen gebracht, sondern auch den Flugverkehr in großen Teilen Europas lahmgelegt.
Wir halten spontan an einem kleinen Museum, das an der Straße liegt und hasten durch den Regen ins Gebäude.
Hier hat die Familie Eggertsson, deren Bauernhof Thorvaldseyri im Schatten des Vulkans an dessen Südseite liegt, ein kleines Museum eröffnet. Eine wirklich schlaue Geschäftsidee. Gemeinsam mit einer Reisebusladung, die kurz nach uns eintrifft, schauen wir eine Dokumentation über den Ausbruch des Vulkans und die Folgen für den Hof und seine Bewohner. Untermalt mit dramatischer Musik erhält man einen Einblick in die ereignisreiche Zeit und kann danach im kleinen Shop so Dinge erstehen wie Vulkanasche in Glasfläschchen oder Teelichthalter aus Vulkangestein. Uns ist das alles ein wenig zu teuer und brauchen tun wir es auch nicht.
Der Regen hat nachgelassen und als wir am Skógafoss ankommen ist er sogar ganz vorbei. Hurra! Leer ist es hier natürlich auch nicht, was aber dem Wasserfall nichts von seiner Majestät nimmt. Ob man unten steht oder oben auf der Plattform, er ist einfach unglaublich beeindruckend.  Direkt oben neben der Plattform grasen einige Schafe, die wohl nicht dorthingehören, da sie kurze Zeit später von zwei kernigen Männern in Gummistiefeln energisch wieder den Berg hinabgetrieben werden. Immer wieder klettern triefend nasse Wanderer mit schweren Rucksäcken hier oben über eine hölzerne Leiter, um dann die Treppe hinunter ins flache Küstenland zu steigen. Die Armen haben sicher keinen trockenen Faden mehr am Leib. Als wir etwas später unten in der Fossbúð Fish and Chips essen, sehen wir viele, die ihre klammen Finger an heißen Kaffee - oder Teebechern wärmen, in den Waschräumen hängen Socken und Pullover zum trocknen. Der Speisesaal hier versprüht den Charme einer Jugendherberge, aber das Essen ist gut und tatsächlich nicht so teuer wie wir gedacht haben, Tee, Kaffee und Wasser kann man sich nachnehmen soviel man möchte.
Wir beschließen, dass noch genug Zeit ist, um Richtung Vik zu fahren. Oder besser zum Felstor Kap Dyrhólaey. Obwohl ich eigentlich schon ein wenig müde bin, so ganz bin ich die blöde Erkältung wohl doch noch nicht los.

Deshalb fehlt in unserer Fotosammlung auch das obligatorische Foto dieses Felsentores, da wir den steilen Weg zum Leuchtturmhäuschen nicht mehr hinaufgefahren sind. Nur den schwarzen Sandstrand und in der Ferne die Basaltzacken, die einer Legende nach versteinerte Trolle sein sollen - was auch sonst - haben wir aufgenommen. Wir fahren zurück, verbringen den restlichen Abend im Wohnzimmer des Gästehaus, während die Dame des Hauses laut trällernd mit ihrer kleinen Tochter in der Küche werkelt und zwei junge Männer aus England über einer Landkarte ihre Tour für morgen planen.
Am nächsten Morgen strahlt die Sonne an einem wolkenlosen, blauen Himmel. Das ist doch mal eine willkommene Abwechslung. Ich hatte vorab ein wenig Bedenken, wie sich das logistisch mit einem Bad für drei Gästezimmer organisieren lässt, aber alles klappt problemlos. Wir frühstücken mit den beiden Engländern und einem jungen spanischen Pärchen gemeinsam am Tisch, bevor wir uns erneut auf den Weg machen. Unsere erste Idee, nämlich die Westmännerinseln zu besuchen, haben wir gestern wegen des unbeständigen Wetters verworfen. Statt dessen machen wir uns auf den Weg, um zu einem Flugzeugwrack zu wandern. Seltsame Unternehmung, denkt ihr? Ja, das mag sein. Doch für Menschen, die gerne fotografieren ist das tatsächlich ein absolutes Highlight.
Im November 1973 verunglückte eine Douglas Super DC-3 der US Navy an der isländischen Küste. Die Besatzung überlebte glücklicherweise, das Wrack aber liegt auch heute noch unweit der Absturzstelle. Bilder davon hatte ich bereits vor einigen Jahren im Netz gefunden, als uns das erste Mal die Idee kam dieses Land zu besuchen. Damals konnte man noch mit dem Fahrzeug zum Flugzeugwrack fahren, das knappe 4 Kilometer abseits der Ringstraße zwischen Skògar und Vik liegt. Es wurde in kaum einem Reiseführer erwähnt und war noch so etwas wie ein Geheimtipp. Spätestens seitdem Justin Bieber 2015 das Wrack als Kulisse für einen Videoclip nutzte ist das vorbei. In diesem Jahr haben die Landbesitzer den Weg zum Flugzeugwrack geschlossen. Also für Fahrzeuge. Zu rücksichtslos sind manche Leute hier off-road durch die empfindliche Natur gebrettert.
So muss man sich heute also zu Fuß auf den Weg machen, was zumindest die Wirkung hat, dass in der Regel nur wirklich Interessierte dorthin aufbrechen.
Wir laufen fast eine Stunde durch die steinige Landschaft, als das Flugzeugwrack unvermittelt links des Weges in einer Senke auftaucht. Die Tragflächen und der hintere Teil fehlen, die Fensteröffnungen sind schwarze Löcher, vom Cockpit hat jemand die Spitze abgebissen und auch sonst wirkt das Wrack als hätte nicht der Zahn der Zeit, sondern ein imaginäres Monster daran genagt. In dieser tristen Landschaft könnte es einem Endzeitfilm entsprungen sein. Kurz gesagt, es ist einfach nur faszinierend.
Natürlich sind wir nicht alleine hier. Doch die meisten Besucher nehmen Rücksicht aufeinander, so dass es trotzdem möglich ist das Wrack auch ohne andere Menschen zu fotografieren. Aber wie immer gibt es die unrühmlichen Ausnahmen. Menschen, die sich am und im Wrack in tausend verschiedenen Posen fotografieren müssen. Die hinaufklettern ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was sie vielleicht dabei zerstören. Meine gehässige Seite wünscht sich dann, sie mögen einbrechen, sich verletzen oder hinunterfallen. Glücklicherweise passiert das nicht.
Eine gute Stunde verbringen wir hier. Fotografierend. Oder einfach nur sitzend diese unglaubliche Kulisse auf uns wirken lassend. Staunend. Dann wandern wir zurück.
Pause machen wir am Skógafoss in der Sonne. Essen Brote, trinken Kaffee, während ein Regenbogen den Wasserfall wie verzaubert aussehen lässt. Sicher gibt es irgendwo hinter den fallenden Wassern auch irgendeinen verwunschenen Goldschatz. Deshalb glitzert es hier so...
Den Nachmittag verbringen wir am Sólheimajökull, einer Gletscherzunge knappe sieben Kilometer östlich von Skógar. Unsere erste Begegnung mit dem Eis auf Island. Von hier aus starten Gletschertouren, behelmte Menschen mit Spikes unter den Schuhen winden sich in langen Reihen auf dem nicht ganz weißen Eis. Ob es Spuren ehemaliger Vulkanausbrüche sind, die das Eis so gefärbt haben? Oder andere Umwelteinflüsse? Wir wissen es nicht. Wir wandern so dicht heran, wie es erlaubt ist, setzen uns auf einen Felsen, um das emsige Treiben auf dem Gletscher zu beobachten. Und die gigantische Kulisse.
Wir trinken noch einen Kaffee an einem improvisiert wirkenden Container in der Sonne und freuen uns, dass wir auf einmal so viel Glück mit dem Wetter haben. Hier ist es so warm, dass man nur im T-shirt und mit Sonnenbrille sitzen kann. Da sag noch mal jemand Island wäre kalt...
Diesen wunderbaren Tag beenden wir in unserem Gästehaus. Auf den Stufen vor der Eingangstür in der Abendsonne. Essen kalte Hotdogs aus unseren Vorräten und trinken ein Glas Rotwein dazu. Erfreuen uns an den warmen Farben, in denen die abendliche Landschaft erstrahlt. Wunderschön. Plauschen noch ein wenig mit unserer Gastgeberin, die uns erzählt, wie sie den Ausbruch des Eyjafjallajökull erlebt hat. Kosten den Trockenfisch, den uns ihre zweijährige Tochter großzügig abgibt. Kommen immer mehr an in diesem besonderen Land. Was wir wohl an den folgenden Tagen noch sehen werden? Wenn wir die Eiswelten im Südosten passieren? Das könnt ihr dann beim nächste Mal lesen.










Island - Golden Circle

Es ist Sonntagmorgen und die Wolken hängen erneut tief. Wir verlassen Reykjavik. Mit einem guten Frühstück im Magen, einer Kiste Lebensmittel im Auto und ganz viel Neugierde auf das was uns erwartet. Unsere nächste Unterkunft, ein kleines Cottage, liegt in Reykholt. Davon gibt es zwei, wie unser Navi feststellt, und es dauert ein wenig bis wir das richtige ausgemacht haben, nämlich das an der Nationalstraße 35. Von hier lassen sich problemlos der Geysir und auch der Gullfoss erreichen.
Wir werden einen kleinen Umweg machen, es ist genug Zeit, um uns  die alte Parlamentsstätte Þingvellir (Thingvellir) anzusehen. Nun stellt euch bloß kein Parlamentsgebäude oder so etwas vor, das lief auf Island nämlich ganz anders ab. Einmal im Jahr, irgendwann im Juni, hielten die Isländer hier ihre traditionelle gesetzgebende Versammlung ab, und zwar bereits seit dem Jahr 930. Hier wurden Streitigkeiten geschlichtet und Gesetze beschlossen. Darüber hinaus sicher auch Neuigkeiten ausgetauscht, Waren angeboten, Feste gefeiert und all das, was immer passiert, wenn viele Leute aufeinander treffen. Bis zu 4000 Menschen versammelten sich hier dann und bauten ihre provisorischen Unterkünfte in der Schlucht auf. An einem geologisch sehr eindrucksvollen Ort, der Allmännerschlucht, die darüber hinaus auch die Grenze zwischen Europa und Amerika ist. Denn hier treffen die nordamerikanische und die eurasische Kontinentalplatte aufeinander.
Unsere Fahrt führt uns an grünen Hügeln mit Schildern vorbei, die Schafe darstellen - seltsam... gibt es davon nicht genug lebende auf den isländischen Hügeln und Bergen? Die Straße zieht sich wie ein Band durch die braun bewachsene Hochebene, die Wolken werden dunkler, hängen tiefer... und es beginnt zu regnen. Regnet immer noch, als wir unser kleines Auto auf dem Parkplatz abstellen, übrigens der einzige während unseres Urlaubs, für den eine Parkgebühr verlangt wird.
Also Regenjacke zu, Kapuze aufsetzen und los gehts. Ein Scheibenwischer für die Brille wäre wünschenswert. Doch wundersamer Weise hört es auf zu regnen, als wir oben auf den Felsen stehen, unter uns der Fluss Öxara, der auf den Versammlungen die Menschen mit frischem Wasser versorgte. Ein beeindruckender Ausblick.
Es bleibt trocken, während wir durch die Schlucht wandern, gemeinsam mit vielen anderen Menschen in bunten Regenjacken. Trotz des schlechten Wetters ist es voll hier, gehört Þingvellir doch zu den top-touristischen Zielen. Reisebusse kippen ihren menschlichen Inhalt auf den Parkplatz, woraufhin ein jeder fotoapparatbewaffnet geschäftig herumeilt, um möglichst schnell möglichst viel in sich und die Kamera aufzunehmen, da ja alle wieder rechtzeitig im Bus sein müssen. Wir haben Zeit. Wie schön!
Auf der anderen Seite des Flusses befindet sich eine kleine Kirche, eine Brücke führt über den Öxara, hier sind schon wesentlich weniger Menschen unterwegs. Nachdem wir einen Blick hineingeworfen haben, verschließt ein junger Mann die Kirchentür und wir wandern im weiten Bogen über eine andere Brücke zurück. Wir schaffen es bis zum Auto, als erneut der Regen einsetzt. Gutes Timing!
Was folgt könnte man mit entspanntem Picknick im Fahrzeug beschreiben, während die Regentropfen in Bächen an den Scheiben herunterlaufen. Das war eigentlich anders geplant, aber man muss mit den Gegebenheiten zurecht kommen. Heißer Kaffee, belegte Brote und Schokolade geht super im Auto.
Wir machen noch einen Abstecher zum Bischofssitz Skálholt, wo ehemals eine große Stabkirche gestanden haben soll. Heute findet sich hier ein schlichter weißer Kirchenbau und  eine kleine aus Torf, Holz und Stein errichtete Kapelle mit dem so typischen Grasdach, das wir auf unserer Reise immer wieder sehen werden.  Außer uns streift nur noch eine einsame Gestalt über das Gelände, ansonsten ist niemand zu sehen. Das ist das wunderbare hier in Island, verlässt man die bekannten touristischen Pfade, ist man auch während der Hochsaison oft alleine unterwegs. Was wir noch mehrmals feststellen werden.
Der kleine Ort Reykholt, zu dem unser Ferienhäuschen gehört, besteht aus wenigen Häusern, einem Schwimmbad, einem Restaurant, Gewächshäusern und der obligatorischen Tankstelle, die gleichzeitig Lebensmittelladen, Imbiss und Informationsstelle ist. Eindeutig der wichtigste Teil eines solchen Dorfes. Unsere Hütte ist super ausgestattet, liegt einsam und versteckt hinter Bäumchen und hat sogar eine kleine Veranda. Wegen des Wetters im Moment nur nicht nutzbar.
Am nächsten Morgen machen wir erstmal etwas ganz anderes... wir suchen einen Arzt auf. Tatsächlich habe ich anfänglich gedacht, dass wir dafür ins etliche Kilometer entfernte Sellfoss müssen. Doch das isländische Gesundheitssystem ist super aufgestellt, zahlreiche über das ganze Land verteilte Gesundheitszentren sichern die medizinische Versorgung. Das nächste ist im nur wenige Kilometer entfernten Laugaràs und da fahren wir jetzt hin. Ich bin mit Antibiotika und Nebenhöhlenentzündung in diesen Urlaub gestartet und es wird irgendwie eher schlechter als besser. Ja, und in diesem Gesundheitszentrum lernen wir nicht nur, dass unsere Krankenkassenkarte auch hier anerkannt wird - also die europäische Rückseite derselben - nein, darüber hinaus erfahren wir, dass diese Zentren und auch viele andere Einrichtungen nicht mit Schuhen betreten werden. Die zieht man am Eingang aus, stellt sie ordentlich in ein Regal und besucht den Arzt auf Socken. Das schafft gleich ein besonderes Vertrauensverhältnis, man fühlt sich wie Zuhause. Ich verlasse das Gesundheitszentrum mit neuen Medikamenten - die übrigens hervorragend geholfen haben - und weiß dank der Erklärung des Arztes, dass man sich der Schuhe entledigt, da in den meisten Monaten dank des isländischen Wetters an denselben reichhaltig Matsch, Eis und Modder haftet.
Den Rest des Tages verbringen wir mit Besichtigungen, während wir gleichzeitig die unterschiedlichsten Formen isländischen Regens kennenlernen. Wir sind spät dran, dementsprechend voll ist es, die Reisebusse sind auch schon da. Das Geothermalfeld, auf dem ein Geysir, nämlich der Strokkur immer noch zuverlässig spuckt, können wir bereits aus der Ferne erkennen. Seltsam über Erde zu wandeln, aus der es dampft und zischt und brodelt.
Der Strokkur ist ordentlich umlagert, als wir nach einem kurzen Spaziergang dort anlangen, doch es ist immer noch genug Platz, um das Schauspiel unbehindert genießen zu können. Unglaublich, zu sehen wie dieses Wasser sich plötzlich aufwölbt und als Wassersäule in den grauen Himmel schießt, um schließlich die Besucher in Dampfschwaden zu hüllen, während alles in sich zusammenfällt.
Es beginnt wieder stärker zu regnen, wir flüchten ins ein wenig überfüllte Besucherzentrum und versuchen das ganze bei einem leckeren Eis abzuwarten. Doch es schüttet immer weiter, so dass wir beschließen weiter Richtung Gullfoss zu fahren. Vielleicht hört es ja in der Zwischenzeit auf...
Doch das sonst so wandelbare isländische Wetter überzeugt heute durch Beständigkeit. Auf dem Weg zum Gullfoss begleitet uns dauerhaft das Geräusch unseres Scheibenwischers. Nirgendwo ein Anzeichen dafür, dass es irgendwann aufhören könnte zu regnen. Egal. Regenjacke an, Kapuze auf und raus aus dem Auto. Wir wollen diesen gigantischen Wasserfall sehen. Auch wenn es regnet. Dass wir ihn überhaupt noch sehen können, verdanken wir übrigens einer Bauerntochter - Sigríður Tómasdóttir. Ihr Vater hatte das Land zur Energieerzeugung verpachtet, bereute es aber kurze Zeut später. Seine Tochter führte deswegen vergeblich einen langjährigen juristischen Kampf. Erst als Sie drohte, sich in die Fluten des Gullfoss zu stürzen, wurde das Vorhaben aufgegeben.
Und so stehen wir heute im Regen oberhalb dieses gigantischen Wasserfalles, der sich in zwei Stufen in eine schmale Schlucht ergießt und können nur staunen. Da wir inzwischen ziemlich durchweicht sind, beschließen wir das ganze für heute zu beenden. Wir werden morgen wiederkommen, so früh wie möglich und hoffen, dass wir dann besseres Wetter haben.
Am nächsten Morgen ist sie tatsächlich da: die Sonne. Ab und zu blinzelt sie hinter den Wolken hervor, hurra! Wir packen unser Frühstück ein und sind vor den Massen am Gullfoss. Wenn man so alleine vor diesem Naturwunder steht, ist der Wasserfall gleich noch doppelt beeindruckend. Nass wird man übrigens auch ohne dass es regnet. Wer dem Pfad hinab bis dicht an die Kante der Schlucht folgt, steht im feinen Sprühnebel, der mit seiner Feuchtigkeit übrigens auch dafür sorgt, dass es hier so besonders grünt und blüht.
Auch das Geothermalgebiet mit dem Strokkur besuchen wir ein zweites Mal an diesem Morgen. Nur wenige Besucher sind genauso früh aufgestanden wie wir und wir wandern eine knappe Stunde entspannt zwischen zischenden Wassern und Nebeln umher. Manchmal glasklar, manchmal milchigblau schwimmt es in den Tümpeln. Ab und zu hüllt uns Schwefelgeruch ein und wir verschwinden im warmen Wasserdampf. Wenn ich diese Wunder um mich herum betrachte, verstehe ich all die Mythen und fantastischen Geschichten, die dieses Land hervorgebracht hat.
Nun ist es erst früher Vormittag, wir haben noch den ganzen Tag zur Verfügung. Was also machen wir nun? Nach eifrigem Blättern im Reiseführer entscheiden wir uns den Museumshof Þjóðveldisbær anzufahren. Hier wird die Wohnweise der ersten isländischen Siedler nachgestellt, und zwar basierend auf der Ausgrabungsstätte Stöng, die unweit des Museumshofes liegt. Leider unerreichbar für uns, da wir kein Allradfahrzeug haben. Stöng ist ein Gehöft, das bei Ausbruch der Hekla im Jahr 1104 verschüttet und dann bei Ausgrabungen im Jahr 1939 gut konserviert unter einer dicken Schicht Bimstein wiederentdeckt wurde. 
Unser Navi behauptet erst einmal, dass es keine Route dorthin finden kann, das Ziel wäre isoliert... Aha... Wahrscheinlich haben wir wieder irgendwas falsch eingestellt. Wir schalten es einfach aus und fahren nach der Übersichskarte im Reiseführer. Überhaupt kein Problem! Auf der landschaftlich wirklich sehr schönen Strecke dorthin treffen wir kaum ein Fahrzeug. Wir sind abseits der ausgetretenen touristischen Pfade hier im Golden Circle unterwegs, das merkt man sofort.
Die Sonne findet öfter den Weg durch die Wolken, wir lassen die Regenjacken im Auto, als wir den Hof erreichen. Ein wirklich schöner Platz. Auch wenn der Originalhof hier nicht gestanden hat, hätte ich mir genau so einen Ort ausgesucht, um ein Haus zu bauen. Oben in den Hügeln, von Felswänden vor den Winden geschützt, ein kleiner Wasserfall stürzt hinab ins grüne Tal und plätschert durch grüne, blütengesprenkelte Wiesen. Es ist still hier, man hört nur das Wasser gurgeln. Ein idyllischer Ort.
Im Inneren des grassodengedeckten Hofes wird einem das alltägliche Leben der ersten isländischen Siedler näher gebracht, darüber hinaus gibt es noch eine Kapelle, auch eine originalgetreue Rekonstruktion der Kirche, die man in Stöng ausgegraben hat. Mir hat der Besuch dort wirklich sehr gut gefallen.
Zum Abschluss setzen wir uns auf einen Felsen und picknicken. Genießen dabei die Sonnenstrahlen, die immer wieder für kurze Zeit durch die Wolken linsen und unsere Gesichter wärmen. Hatte ich schon irgendwo erwähnt, dass die Luft auf Island anders ist? Frischer, sauberer, als hätte man die Landschaft grad aus der Waschmaschine geholt und bei kühlem, leichten Wind zum Trocknen aufgehängt.
Ich freue mich schon auf die weitere Reise. Morgen geht es an die Südküste. Vielleicht lesen wir uns dort...


Island - Wir beginnen in Reykjavik

Der Hamburger Himmel hüllt sich in dicke Wolken, als unser Flugzeug Richtung Island startet. Etwas mehr als drei Stunden später landen wir auf dem Flughafen Keflavik und können durch einige Wolkenlücken noch die Sonne erspähen, die uns während des Fluges so zuverlässig begleitet hat.
Wir hätten auch mit  Fähre und eigenem Fahrzeug von Hirtshals in Dänemark über die Faröer-Inseln anreisen können, haben uns aber dagegen entschieden, da die Fähre pro Strecke zwei ganze Tage benötigt.
Durch die zweistündige Zeitverschiebung ist es erst früher Nachmittag, als wir an den eher spärlichen Gepäckbändern auf unsere Koffer warten. Übrigens eng gedrängt mit unzähligen anderen Reisenden. Der Flughafen Keflavik ist auf den Touristenansturm, der hier inzwischen in den Sommermonaten herrscht, nicht so wirklich vorbereitet und etwas unterdimensioniert. Einige halten hier bereits seit über fünfundvierzig Minuten nach ihrem Gepäck Ausschau. Wir haben Glück und können unseres schon nach knapp dreißig Minuten vom Band fischen.
Der gelbe Shuttlebus bringt uns zur Autovermietung, Formalitäten erledigen, Koffer in den kleinen Wagen quetschen und los gehts. Drei Wochen haben wir nun Zeit diese Insel zu erkunden. Unsere erste Bleibe haben wir in der 50 Kilometer entfernten Hauptstadt Islands - Reykjavik. Diese Strecke ist wahrscheinlich für die meisten Reisenden die erste Begegnung mit den besonderen Landschaften Island. Auf unserer gesamten Reise werden wir immer wieder daran erinnert, dass der Mensch hier nur ein Besucher sein kann, der sich arrangieren muss mit den Naturgewalten, die diese Insel formten und immer noch formen. Feuer und Eis prägen die Landschaften, sorgen für Kontraste und Farbenspiele, lassen dich nach Luft schnappen, staunen und an Wunder glauben. Wolkenspiele und Nebel verhüllen geheimnisvoll Berge, Gletscher und Lavafelder oder lassen solche unverhofft aus den Nebeln auftauchen. Wie noch unzählige Male während unserer Reise, halten wir am Fahrbahnrand, um das festzuhalten, was doch kein Foto so richtig wiedergeben kann.
Reykjavik - die nördlichste Hauptstadt Europas - wirkt auf den ersten Blick auf uns, die wir an europäische Metropolen gewöhnt sind, fast ein wenig kleinstädtisch. Und das, obwohl hier über die Hälfte der isländischen Bevölkerung lebt, wenn man die umliegenden Gebiete mit einberechnet. Während wir an einer roten Ampel stehen, schweift mein Blick zum neben uns stehendem Fahrzeug, das unter der Last eines aus Palletten bestehenden, wohl selbst konstruierten Gepäckträgers, auf dem ein kunstvoller Turm aus einer dicken Matratze und diversen verschlissenen Brettern thront, hinüber. Ein alter Mann, mit wettergegerbten Gesicht, riesigen gelben Kopfhörern, eine hochgeschobene Fliegerbrille auf dem schütteren Haar, sitzt hinterm Steuer und klopft mit den Fingern am Lenkrad den Takt der Musik mit. Lässt nicht nur meinen Mund, sondern auch mein Herz lächeln. Ich liebe skurrile Typen, die scheint es hier zu geben, wunderbar!
Unser kleines Apartment befindet sich auf einem Hinterhof an der Laugavegur - die Einkaufsstraße Reykjaviks. Erstaunlicherweise finden wir auch sofort einen Parkplatz. Die Vermieterin, eine alte Dame, die ein hervorragendes Englisch spricht, wie so viele hier auf Island, versorgt uns mit den nötigen Informationen über Einkaufsmöglichkeiten und Öffnungszeiten. Während dieses Urlaubs ist Selbstversorgung angesagt, Islands Restaurantpreise sind nicht unbedingt die günstigsten in Europa. Um die Ecke liegt ein Geschäft der Discounterkette Bonus, erkennbar an dem rosa Schweinchen über der Tür. Hier statten wir uns erst einmal aus, bevor der Laden um 18.30 die Türen schließt. Übrigens machen viele der Filialen erst um 11 Uhr am Vormittag auf. Gewöhnungsbedürftig.
Eine Runde Spaghetti kochen, eine schnelle Tomatensauce und dazu den Wein, den wir aus dem Dutyfree mitgebracht haben. Alkohol ist auf Island nur in speziellen Geschäften erhältlich, den staatlichen Vínbúðin, die Preise sind hoch. Wer kann und möchte, sollte sich im Dutyfree eindecken, das spart imens.
Am Abend bummeln wir noch ein wenig durch die Stadt, es ist auch Mitte August noch bis 22 Uhr hell. Der Himmel hat sich zugezogen, es ist aber trocken, ein wenig kühl mit 12°, aber durchaus auszuhalten.
Islands Hauptstadt präsentiert sich bunt. Graffitis zieren die Häuserwände, es gibt gemütliche Cafés, holzverkleidete Pubs, individuelle Boutiquen und Kunstgalerien. Der Innenstadtbereich lässt sich wunderbar zu Fuß erkunden. Wir bummeln hinab bis zur Harpa, dem architektonisch etwas eigenwilligen Konzerthaus, das am alten Hafen liegt. Ebenso wie der Bau der Elbphilharmonie den Hamburgern, war auch der Bau dieses Konzerthauses den Bewohnern Reykjaviks lange Zeit ein Dorn im Auge. Einmal weil es Millionen verschlungen hat, aber auch weil sich der Blick auf den Hafen und die Stadt drastisch veränderte. Ich bin mir nicht sicher, ob mir dieser Bau wirklich gefällt. Ja, er hat durchaus etwas, wirkt aber auf mich ein wenig deplatziert dort am Wasser.
Der nächste Tag beginnt. Das erste Mal duschen mit leicht schwefelig riechendem Wasser. Ein Geruch der uns mal stärker, mal schwächer auf unserer Reise begleiten wird. Dann  Frühstück in unserer kleinen Wohnung, Brötchen gibt es beim Bäcker um die Ecke. Wunderbar, wenn man so mittendrin wohnt. Unser erstes Ziel für heute ist die Hallgrimskirkja, die oben auf einem Hügel liegt und die wir gestern haben links liegen lassen. Die Wolken hängen ein wenig tiefer heute, vorsichtshalber streifen wir die Regenjacken über.
Die Kirche hat etwas von einer Rakete, zumindestens sieht es für mich so aus. Tatsächlich sollen die Betonpfeiler aber den Basaltsäulen nachempfunden sein, die man in der isländischen Landschaft häufig vorfindet. Vor der Kirche schaut der Wikinger Leif Eriksson -nach der Vinland-Saga der Entdecker Amerikas- von seinem Sockel in die Ferne. Es fängt an zu regnen. Also nichts wie nach oben auf den Turm. Zirka 7 Euro Eintritt zahlen wir pro Person, hinauf geht es nur mit dem Fahrstuhl.
Die Aussicht von dort oben gefällt mir wesentlich besser als das Äußere der Kirche, aber das ist ja bekanntlich Geschmackssache.
Zurück geht es an bunten Häusern vorbei hinunter zum alten Hafen. Es hat aufgehört zu nieseln, von Sonne aber weit und breit nichts zu sehen. Nicht, dass wir etwas anderes erwartet hätten, schließlich sind wir ja in Island. Vom alten Hafen aus starten die Walsafaris und noch diverse andere Bootstouren. Wir haben uns aber entschieden die Wale erst von Akureyri aus zu suchen und bummeln deshalb nur so um das Hafenbecken herum.
Schauen den Leuten beim Einkleiden für die Walsafaris zu. Farbenfroh präsentieren sie sich in warmen und wasserdichten roten Overalls. Blicken den klingelnden Radfahrern hinterher, die ihre Stadterkundungstouren von hier aus starten. Und all den Reisebussen, die ihre menschlichen Ladungen hier ausschütten und wieder abholen. Trotzdem wir langsam auf die Nachsaison zugehen, ist es immer noch recht trubelig hier.
Nachdem wir eine Pause in unserer kleinen Wohnung gemacht haben, starten wir mit dem Auto Richtung Nautholsvik. Hier gibt es eine künstliche Lagune, in der sich das kalte Atlantikwasser mit heißem Wasser aus geothermalen Quellen vermischt. Ein Strand wurde aufgeschüttet und es gibt einen Hot Pot. Als wir dort ankommen beginnt es grad erneut zu nieseln. Die Lufttemperatur beträgt nasse 11°, der Atlantik hat 13°, innerhalb der Lagune ist es etwas wärmer. Trotzdem spielen Kinder in nassen Badesachen im Sand, einige Schwimmer drehen außerhalb der Lagune ihre Runden. Mich fröstelt es bei ihrem Anblick. Aber ich bin auch immer noch erkältet, weshalb wir die Badesachen gar nicht erst eingepackt haben.
Ein älterer Herr erklärt mir, nachdem er dem Atlantik entstiegen ist und während er nur mit einer Badehose bekleidet tropfend im kalten Wind steht, dass es gar nicht kalt wäre und er täglich im Atlantik schwimmen würde. Kein Problem! Wohlgemerkt: er hat nicht einmal eine Gänsehaut dabei.
Wir machen noch den obligatorischen Fotostop an der Schiffsskulptur Sólfar, ein von Jón Gunnar Árnason gestaltetes Sonnenschiff, in dem die meisten Besucher ein stilisiertes Wikingerschiff sehen. Leider ist das Fotografieren des Sonnenschiffes nur ohne Sonne möglich. Die glänzt heute durch Abwesenheit. Dann besteigen wir den Þúfa, einen künstlich angelegten Hügel im industriellen Teil des alten Hafens, den ein kleines Holzhäuschen krönt, das tatsächlich auch zum Trocknen von Fischen verwendet wird. Viele passen da allerdings nicht rein, aber das ist ja auch eher symbolisch gedacht. Weiter gehts Richtung Seltjarnes, einer kleinen Gemeinde, die im Westen an Reykjavik grenzt. Bei Ebbe ist es möglich den weißen Leuchtturm zu Fuß zu erreichen, allerdings erreichen wir den Punkt, während das Wasser noch um die Steine spült.
Ja, und das war er auch schon, der großstädtische Teil unserer Reise. Städte haben wir schon viele gesehen, so haben wir Reykjavik nur ein sehr begrenztes Zeitfenster gegeben. Morgen machen wir uns auf zum Golden Circle mit all den Naturwundern, den dieser Teil Islands zu bieten hat.
 Tschüss, bis zum nächsten Bericht.