Marokko 5. Teil - Geisterhotel in M´Hamid, Agdz und Taroudant

400 Kilometer liegen heute vor uns, um in Marokkos zweites Wüstengebiet zu kommen. Unser Ziel ist M´hamid, wo die Asphaltstraße enden soll, das Wüstengebiet Erg Chegaga beginnt dahinter. M´Hamid liegt unmittelbar an der algerischen Grenze und ist somit als Millitärposten wichtig.
Wir machen uns früh auf den Weg nach einem herzlichen Abschied. Als Abschiedsgeschenk erhalten wir noch ein wenig Wüstensand in einem Glasflakon. Sehr nett. Der Himmel ist bewölkt, was für die Fahrt ja nicht schlecht ist. An der Tankstelle versorgen wir uns noch einmal mit Getränken, Keksen und Bonbons, dann gehts weiter.
Rissani ist schnell erreicht und wir sehen heute keine Schulkinder auf Fahrrädern. Auch hier scheint der Sonntag ein schulfreier Tag zu sein. Wir biegen links ab Richtung Tazzarine, die Straße scheint in Ordnung zu sein. Die Kilometer ziehen sich dahin, es geht erneut durch einsam, karge Mond- landschaften. Der Wind ist aufgefrischt und treibt den Sand vor sich her. Wir sehen kaum Ortschaften, nur gelegentlich Esel oder Nomaden an der Straße. Kein Verkehr und keine Ortschaften heißt aber auch, dass man gut vorankommt. So treffen wir gegen Mittag auf die Verbindungsstraße Ouarzazate - Zagora. Von hier an geht es langsamer voran, neben der Straße fließt der oder die Draa und es reiht sich Oasendorf an Oasendorf. Dafür ist die Landschaft wieder grüner.
Kurz vor Zagora ist ein Toilettengang nötig und Hunger haben wir auch. Spontan biegen wir von der Straße ab und landen auf einer Art Campingplatz an einer alten Kasbah. Allerdings campt hier niemand. Dafür wird uns von der Berberfamilie sofort Essen und Tee angeboten, als wir aus dem Auto steigen.
Wir be-
stel-
len
in einer Mischung aus gebrochenem Französisch, wobei das beidseitig ist, und viel Hand- und Fußsprache etwas zu essen und zu trinken. Dann sitzen wir unter Palmen im Garten, nachdem wir das kleinste Kind mit Bonbons versorgt haben.
Es gibt eine sehr leckere Tajine, Brot, Obst, Tee und Wasser. Alles sehr köstlich. Allerdings ging es sehr schnell mit dem Essen und wir haben ein wenig das Gefühl, dass wir der Familie das Mittagessen weggegessen haben. Wahrscheinlich ist Bargeld manchmal wichtiger.
Das Wasser kommt hier tatsächlich noch aus einem Ziehbrunnen, die Toiletten sind seeeeeeeeeehr einfach. Aber egal, wichtig ist nur, dass man irgendwo pieschen kann. Die Berberfamilie ist sehr freundlich, würde uns gerne noch ihre Wohnburg zeigen. Doch wir haben noch reichlich Kilometer vor uns und wollen weiter. Also verabschieden wir uns.

Bis Zagora ist die Strecke gut. Dort angekommen, versuchen wir am Automaten etwas Bargeld zu bekommen, aber die Geldautomaten sind unabhängig von den unterschiedlichen Kreditinstituten alle außer Betrieb. Es ist früher Nachmittag, die Temperatur liegt weit über 30°, bei der Hitze wollen wir nicht warten. In M´Hamid soll es keinen Bankautomaten geben. Wir überschlagen unser Bargeld, beschließen, dass es reicht und fahren weiter. Bisher haben wir die Hotelrechnungen immer mit Kreditkarte bezahlt, das sollte also kein Problem sein.
Es sind noch 90 km bis M´Hamid, die Straße wird schlechter, zwar geteert, aber nur einspurig mit ausgefransten Rändern und reichlich Löchern. Kein Vergnügen! Der Wind frischt erneut auf und treibt den Sand über die Straße. Teilweise wird die Sicht schlecht, fast wie bei Nebel. Außer uns scheint hier kaum ein Tourist unterwegs zu sein. Wir überholen lediglich einmal zwei bemitleidenswerte Fahrradfahrer, die gegen den Sandsturm total vermummt sind. Wir brauchen recht lange durch diese Steinwüste und kommen am späten Nachmittag ziemlich erschöpft im Chez le pacha an. Es sieht sehr nett aus, ebenfalls einer Kasbah nachempfunden. Auf dem Parkplatz kein einziges Auto, der Wind weht immer noch sehr stark. Ein junger Mann übernimmt unser Gepäck, ruft nach Aziz, der dann mit uns in die Rezeption geht. Wir fragen nach anderen Gästen, es gibt keine. Komisch.
Unser Zimmer ist hübsch und gut gegen den allgegenwärtigen Sand abgedichtet. Doch wenn man irgendetwas möchte, muss man stets das Personal suchen. Niemand an der Bar, niemand an der Rezeption, überhaupt nirgendwo ist irgendjemand. Wir fühlen uns ziemlich alleine auf dieser Welt und sind ein wenig gefrustet, weil man bei diesem Wetter hier auch nichts machen kann.
Also gehen wir erstmal ins Pool, natürlich auch hier reichlich Sand im Wasser, aber egal, Sand ist hier überall. Inzwischen brennen auch die Augen.
Abends sitzen wir dann einsam im Restaurant, draußen sitzen ist wegen des Sandsturmes nicht möglich. Auf unsere Frage nach Getränken wird uns erstmal gesagt, dass die Bar schon geschlossen hat. Äh? Hallo?! Es findet sich dann doch noch der Schlüssel für die Bar und wir können zum Essen Wasser und Wein trinken. Hurra!
Das Essen ist wirklich gut, aber wir fühlen uns irgendwie überflüssig und haben das Gefühl, alle warten, dass wir endlich gehen.Was wir dann auch tun. Noch ein kurzer Rundgang durchs idyllisch beleuchtete Hotel und wir gehen ins Bett. Mit der Überlegung, dass wir statt übermorgen bereits morgen weiterfahren. Unser nächstes Ziel, Taroudant ist nämlich 460 km entfernt, für eine Strecke vielleicht doch zu weit.
Als wir aufwachen hat sich der Sandsturm gelegt, der Himmel ist wieder blau und das Personal versucht auf abenteuerliche Weisen den allgegenwärtigen Sand zu beseitigen.
Wir verlegen unserer Frühstücksplatz kurzerhand aus dem dunklen restaurant an einen Tisch in der Sonne und sorgen damit für Irritationen. Als Thias den Kellner auf englisch bittet die Kaffeekanne zu füllen, verschwindet dieser damit und ward nicht wieder gesehen.
Wir beschließen abzureisen, das scheint nicht unser Ort zu sein. Es gelingt uns den durch Abwesenheit glänzenden Aziz von der Rezeption aufzutreiben und wir bitten um die Rechnung.

Außerdem wollen wir mit Kreditkarte bezahlen. Ja, das geht. Aber ein Kreditkartengerät hat er nicht. Das steht in der Agency in Zagora. So gibt er alles telefonisch durch, wobei ihm mehrfach das Handy auseinanderfällt. Eine Rechnung ausstellen kann er auch nicht, das geht auch nur in Zagora. So weit, so schlecht. Wir sind begeistert.  Und froh als wir endlich auf dem Weg sind.
Also erst mal die 90 km Gruselpiste zurück bis Zagora. Dort holen wir uns dann den Schnipsel von der
 Kartenmaschine bei einer Dame ab, die nur französisch spricht. Von einer Rechnung weiß sie nichts. Wir geben auf. Egal. Lieber wieder ab ins Auto und schnell ein erneuter Versuch Geld abzuheben. Diesmal funktionieren hier auch die Geldautomaten und mit 2000 Dirham in der Tasche machen wir uns wieder auf den Weg.
Wir wollen heute bis Agdz und uns dort ein Gästehaus suchen, dann sind die 460 km gut auf zwei Tage verteilt.

Mittags machen wir noch einmal Pause bei einer Berberfamilie, die auf ihrem Grundstück ein schattiges Plätzchen mit Blick auf das Draa-Tal hat. Unter uns schlängelt sich der Fluss und es ist wunderbar still. Wir essen Brochettes von der Ziege, einen marokkanischen Tomatensalat und in Fett gebackene Kartoffeln. Mit dem Preis dafür unterstützen wir wahrscheinlich die ganze Großfamilie, aber alleine der Blick über diese stille Landschaft ist es wert.
Agdz haben wir am frühen Nachmittag erreicht und finden nach
einigen Versuchen das im Reiseführer empfohlene Rose du Sable. Das hat nur wenige Zimmer, ein winziges Pool, ist aber günstig, sauber und friedlich.
Und bis zum Abend ist tat- sächlich jedes Zimmer in diesem Gäste- haus belegt. Das Abend- essen ist ein Traum, das Personal auf eine ruhige, entspannte  Art superfreundlich. Wir haben uns rundherum wohl gefühlt. Einziges kleines Manko, das leicht quietschende Bettgestell.
Am nächsten Morgen frühstücken wir noch in dem netten Gästehaus und machen uns dann auf den Weg die verbleibenden 270 km bis Taroudant zu schaffen. Ist ja nicht so weit... denken wir.
Anfänglich ist die Strecke gut, die Gegend einsam, braune Gebirge, mondlandschaftsmäßig links und rechts der Straße. Einge Schlaglöcher, aber es geht. Esel und Schafe mit ihren vereinzelten Hirten an der Straße.


Dann wird die Straße schmaler, hat mehr und mehr Löcher und sie schraubt sich in die Höhe. In unserem sonst so zuverlässigen Reiseführer findet sich kein Hinweis auf schlechte Wegstrecke oder einspurige Teerdecke. Mhhhhm..., also hier müsste mal was getan werden. Kaum gedacht endet der Asphaltbereich komplett und eine Kurve später geht es gar nicht mehr weiter. Kurzes Blinzeln mit den Augen... aber sie gehen nicht weg. Da liegen Felsbrocken auf der aufgewühlten Straße. Doch Rettung naht, da ist ein Radlader. Aaaaah, das scheint eine Baustelle zu sein. Man gibt uns Handzeichen, wir sollen stehenbleiben. Als ob wir eine Wahl hätten. Wir steigen aus.
Es pfeift ein schneidender Wind und wirbelt den Staub auf. Im Nu sind wir gepökelt. Meine Frage, ob wir da weiter können wird mit "dix minutes" beantwortet, dann spricht der Bauarbeiter hektisch ins Handy. Wir teilen unser Wasser und die restlichen Bonbons mit den vermummten Bauarbeitern, versuchen uns ein wenig im small talk. Warten. Verziehen uns dann in unser Auto. Der Wind ist eklig. Irgendwann startet der Radlader, räumt die Felsbrocken aus dem Weg. Wir werden durchgewunken.

Die Baustelle zieht sich noch ein wenig, dann sind wir in einem Bergarbeiterort, irgendetwas wird hier abgebaut. Ein Stückchen weiter steigen wir erneut aus
für ein Foto, völlig eingestaubt. Ich überlege kurz hinter einem Felsen zu verschwinden, entscheide mich aber dagegen wegen des gigantischen Windes. Also wieder ab ins Auto, es wird schon irgendwo eine Toilette kommen. Es geht weiter, im nächsten Ort ein kurzer Halt, um Getränke zu kaufen. Auch hier kein Klo in Sicht, also wieder weiter. Das mit den Toiletten ist gelegentlich etwas schwierig. Normalerweise habe ich überhaupt kein Problem damit mich in die Natur zu setzen. Doch in einem islamischen Land will es wohl überlegt sein, wo man sich derart entblößt, man will ja auch niemanden verschrecken.
Irgendwann habe ich keinen Blick mehr für die wunderschöne Landschaft, sondern suche nur noch Felsen oder Bäume, hinter denen man verschwinden kann. In dieser Gegend grad Fehlanzeige. Egal, es geht nicht mehr, der nächste kleine Hügel muss herhalten, der natürlich völlig falsch ausgerichtet ist. Obwohl ich mich vorher umschaue, erhebt sich eine Nomadenfrau am anderen Straßenrand und schaut mir interessiert zu, nachdem ich mich hingehockt habe. Toll! Und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen pinkel ich mir wegen des Windes über Schuh und Fuß. Ich bin begeistert. Total entnervt stapfe ich zurück zum Auto und kippe mir die halbe Wasserflasche über Schuh und Fuß, was dazu führt, dass ich barfuß ins Auto steigen muss, damit mein Schuh nun erstmal trocknen kann.
Auf der weiterne Strecke entspannt sich meine Laune wieder, dafür wird das Wetter schlechter. Auf dem nächsten Pass beginnt es tatsächlich zu regenen, rundherum wird es grün mit bunten Farbtupfern. Wildblumen. Wirklich schön.
Aber kalt! Also um- zie- hen im Auto. Nicht ganz einfach in unserem Alter, aber machbar.
Am späten Nachmittag kommen wir dann endlich in Taroudant an, ein freundlicher Mofafahrer weist uns den Weg zum Palais Salam, natürlich gegen ein kleines Bakschisch.
Von außen ein imposanter alter Palast mit einem wunderschön angelegten Garten voller Palmen und Bananenstauden, Wasserläufen und Springbrunnen, entpuppen sich die Zimmer leider als schäbig und heruntergekommen. Schade, das hat dieses historische Gebäude eigentlich nicht verdient, das so viel Flair versprühen könnte. Hier scheinen nur Rundreisen durchzukommen, ein Geschäft auf das man sich wohl verlassen kann, wahrscheinlich ohne viel zu tun.Wir sind ein wenig enttäuscht, gerade auch weil dieses Hotel doch relativ teuer war.
Taroudant wurde sowohl in den Reisefühern als auch von Menschen mit denen wir gesprochen haben als kleines Marrakesch angepriesen. Das können wir so nicht bestätigen. Weder hat diese Stadt das gleiche Flair, noch die in Marrakesch durchaus vorhandene Weltoffenheit. Es scheint einen großen Anteil traditionell arabisch ausgerichteter Einwohner zu geben, ich habe in keiner anderen Stadt so viele verschleierte Frauen gesehen. Auch ist es hier größtenteils möglich mit den Autos durch die Altstadt zu fahren, so dass ein entspanntes Bummeln nicht wirklich machbar ist.
Einen tollen Bäcker haben wir gefunden und dort für wenig Geld hervoragende Kuchen gekauft und außerdem haben wir im Souk nach einigen Verhandlungen eine Lampe erstanden. Ansonsten waren wir froh, als wir zurück in der Stille der Gärten des Palais Salam waren.
Wir schlendern hier noch ein wenig durch die prachtvollen Innenhöfe mit ihren erstaunlichen Gewächsen, bevor wir uns in den ungemütlich beleuchteten Speisesaal begeben. Hier wird tatsächlich das schlechteste Essen serviert, das wir in unserem Urlaub bekommen haben. Kantinenniveau.
Wirklich schade für dieses historische Palais, das hat es nicht verdient. Hier bekommen Touristen einen schlechten Eindruck vom Standard und dem Service und das Personal einen schlechten Eindruck von den Touristen. Das kann doch so nicht gewollt sein.
Wir ma- chen noch ein paar Fo- tos
in den stimmungsvoll erleuchteten Gärten, bevor wir uns auf unser ungemütliches Zimmer im "Neubau" des Hotels zurückziehen. Wir verkrümeln uns ins Bett, es hat erneut angefangen zu regenen.
Morgen geht es dann endlich ans Meer, knappe 200 km bis Essaouira, einer kleinen Hafenstadt direkt am Atlantik. Ich freue mich schon auf den uneingeschränkten Horizont und die salzige Luft.








2 Kommentare:

  1. wenn so ein Bericht keine Lust macht, sofort den nächsten Urlaub zu planen, dann weiss ich nicht. Tolle, stimmungsvolle Bilder, und eindrucksvolle Texte.

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  2. Dankeschön :)
    Natürlich sollen meine Berichte Lust auf Urlaub machen. Ich selber habe sowieso ständig Lust auf Urlaub, leider habe ich nicht so viel... Mir persönlich ist auch noch ganz wichtig, einen winzigen Einblick in andere Kulturen oder Lebensweisen zu ermöglichen... den Blick des Lesers über den Tellerrand sozusagen. Ich hatte lange Zeit beruflich mit Menschen aus anderen Kulturen zu tun und liebe die Vielfältigkeit unserer Welt. Wenn ich in deinem Blog lese, finde ich ganz viel, was mir auch wichtig ist und freue mich darüber. Mach weiter so.

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