Husum - am grauen Strand am grauen Meer?

Unser Wochenendausflug nach Husum starten wir an einem Freitag. Nach diesen vorfrühlingshaften Sonnentagen, der erste Tag, der uns wieder ein graues Gesicht zeigt. Aber egal! Wir stoppen bei Ikea für ein ausgiebiges, günstiges Frühstück. Landen mit unseren Tabletts an einem Tisch in der Kinderecke und freuen uns irgendwie, dass wir das Gewusel um uns herum mit distanzierter Gelassenheit betrachten können. Hatte ich schon irgendwo erwähnt, dass erwachsene Kinder toll sind? Am Nachbartisch sitzen fünf ältere Herrschaften im Rentenalter, die gerade diverse Marmeladengläser aus ihren mitgebrachten Beuteln zaubern. Ein paar Brötchen und Kaffee haben sie hier bei Ikea aber doch gekauft. So wird das günstige Frühstück noch günstiger.
So gestärkt geht es über die Köhlbrandtbrücke auf die A7 und weiter auf die A 23, untermalt von dem plattdeutschen Herren in unserem Navi, der uns mit stoischer Ruhe stilvoll den Weg erklärt. "Nimm de Utfohrt, denn an End von de Straat links afbögen". Sehr passend zu unserem Ziel.

Dank des reichlichen LKW-Verkehrs auf der B5 kommen wir dann erst gegen Mittag in Husum an und beziehen unsere kleine Ferienwohnung am Binnenhafen.  Ideal gelegen, da fast alles fußläufig zu erreichen ist und darüber hinaus auf wenig Raum alles nötige geschmackvoll untergebracht. Eine tolle Wohnung. 
Los gehts die Stadt erkunden. Über die Fußgänger- brücke auf die andere Seite des Binnen- hafens, der trotz des schlechten Wetters, umrahmt von den vielen bunten Giebelhäusern, so gar nicht grau wirkt. Doch wahrscheinlich meinte Theodor Storm in seinem Gedicht auch nicht die Häuser.
Husum hat übrigens von einer Naturkatastophe profitiert, die anderenorts blühende Orte hat untergehen lassen. Im Januar 1362 wüten Wind und Wellen, eine Jahrhundertsturmflut, die grote Mandränke, verschlingt weite Teile der Küste, die sagenumwobene Stadt Rungholt soll in ihren Fluten untergegangen sein. Das bis dahin bedeutungslose Dorf Husenbro aber verfügt nach dieser Sturmflut über einen für Schiffe befahrbaren Zugang zur Nordsee. Tja, des einen Leid ist des anderen Freud.

Unser Weg führt uns durch kleine, kopfsteingepflasterte Straßen Richtung Schlosspark. Wir sind extra so früh im Jahr hierhergefahren, um die Krokusblüte zu sehen. Angeblich erblühen hier im Schlosspark bis zu 100 Blüten pro Quadratmeter und in dieser Größe ist das Vorkommen einmalig in Nordeuropa.
Wer hier ursprünglich für die Bepflanzung sorgte hat bisher niemand klären können. Leider ist, bedingt durch das Wetter, der Anblick nicht halb so imosant wie erhofft. Aber irgendwie beeindruckend  ist es trotzdem noch. 
Wenn wir schon mal im Schlosspark sind, können wir auch einen Blick in das dazugehörige Schloss tun. Gesagt, getan. Mit 5 Euro ist man dabei.
Doch das Innere bietet nicht was das Äußere vermuten lässt. Vielleicht sind wir aber auch nur verwöhnt durch die zahlreichen Schlossbesichtigungen, die wir in den vergangenen Jahrzehnten schon hinter uns gebracht haben. Unsere Schritte hallen durch Räumlichkeiten, die wirken, als hätte man wahllos Möbelstücke hineingestellt. Manche restaurierte Stücke sehen aus, als wären sie eigentlich für eine Theaterdekoration bestimmt. Lediglich die Kamine beeindrucken durch ihre Größe und ihre reichhaltigen Verzierungen. Meiner Meinung nach genügt es, sich die  ehemalige Nebenresidenz des herzoglichen Hauses Schleswig-Holstein-Gottorf von außen anzusehen.
Nach der Besichtigung macht sich bei uns Hunger breit und wir begeben uns auf die Suche nach einem
Krabbenbrötchen. Also zurück Richtung Hafen. Fündig werden wir am Husumer Außenhafen. Wegen des kalten Wetters und des
zunehmenden Windes beschließen wir unser Krabbenbrötchen im Warmen zu uns zu nehmen. Und mit einem leckeren Kellerbier herunterzuspülen.
Danach schlendern wir noch eine Weile ziellos durch die Stadt und treffen dabei immer wieder auf die Spuren ihres  bekanntesten Sohnes, Theodor Storm.  Mit der Novelle vom

Schimmelreiter und dem Gedicht "die Stadt" hat er seinen Heimatort weit über dessen Grenzen hinaus bekannt gemacht.
Den Abend verbringen wir im Tante Jenny, einer Gaststätte, die seit 1851 besteht und die wunderbar zünftige Küche bietet. Zu ordentlichen Preisen. Ich freue mich, denn hier kann ich endlich mal wieder ein anständiges Labskaus essen, ein Essen, das dem Rest meiner Familie nicht so wirklich schmeckt. Deutsches Labskaus besteht im Wesentlichen aus gekochten Kartoffeln, Corned Beef oder Pökelfleisch, beides gestampft und dazu gereichtem Matjes, Zwiebeln, roter Beete und Spiegelei. Ja, ich weiß, es sieht nicht so appetitlich aus, ist aber wirklich lecker.
In der Nacht wandelt sich die steife Brise in irgendetwas stürmisches, es heult und pfeift ordentlich um unser Haus. Aber der frische Wind sorgt dafür, dass am nächsten Morgen die Sonne durch die zerfetzte Wolkendecke scheinen kann.
Wir früh- stücken im Tante Jenny. Aller- dings mit einem anderen Service- team als gestern abend. Wobei die Bezeichnungen Service und Team sich hier nicht wirklich anbieten. Während wir auf unser Frühstück warten, macht sich Opa auf den Weg, die Brötchen dafür beim Bäcker zu holen, nachdem er auch die Brötchenbestellung des Personals aufgenommen hat, die Getränkedame schimpft laut über die Leute von der Abendschicht, die immer so einen Dreckstall hinterlassen, während sie vor dem Spiegel hingebungsvoll ihre Haare richtet, nur der junge Mann, der uns den starken Kaffee bringt, scheint registriert zu haben, dass Gäste in der Gaststätte sind. Irgendwie ein wenig skurril!
Das Frühstück, das nach einer halben Stunde tatsächlich vor uns auf dem Tisch steht, ist dann allerdings wirklich gut und reichhaltig. Kassieren aber tut dann am Ende leider nicht der junge Mann, sondern der leicht muffelige Opa, für den das Trinkgeld eigentlich nicht gedacht war. Naja, irgendwas ist immer.
Wir starten einen weiteren Versuch im Schlosspark, doch die Krokusse wollen auch bei leichtem Sonnenschein ihre Kelche nicht so wirklich öffnen. Die sind ein bißchen widerborstig! Dafür positionieren sich einige Lachmöwen dekorativ auf der Blumenwiese, so dass wir wenigstens etwas fotografieren können.











Nun haben wir von diesem Schlosspark die Nase voll. Wir wollen weiter an die Nordsee. Bei Schobüll soll man einen ungehinderten Blick aufs Wasser haben, dort gibt es keinen Deich. Warum auch immer. Wir parken unser Auto an einem einsamen, verlassenen Campingplatz, stemmen uns gegen den Wind, der ordentlich pustet und runter gehts ans Wasser. 

Schobüll hat so etwas wie eine Seebrücke, auf der man trockenen Fußes über das Wasser gelangen kann. Normalerweise. Heute sieht das ein wenig anders aus.

Es spritzt und brodelt durch die Ritzen zwischen den Holzplanken. Das Ende des Piers zu erreichen ist zumindet dann nicht möglich, wenn man trockene Kleidung behalten möchte. 
An einem Stamm neben der Seebrücke, naja, eigentlich eher dem  Badesteg, zeigen kleine Metall- plättchen den Wasserstand der ver- hehrenden 
Sturmfluten an. Es ist schon ein wenig beängstigend, wenn man sich vorstellt wie hoch das Wasser zu steigen imstande ist. Und wie klein wir Menschen gegen diese Naturgewalten sind.
Wir machen noch einen Abstecher nach Nordstrand in den Hafen Strucklahnungshörn, wo das Hafenbecken fast überschwappt. Fahren ein wenig am Deich entlang, in der Hoffnung man könne so die Hallig Nordstrandischmoor erreichen. Auf unserer Karte sieht es so aus. Möglich ist es dann aber trotzdem nicht. Wie wir inzwischen wissen, kommt man nur auf Schienen über einen Damm dorthin. In einer Lore. Was sich interessant anhört. Das müssen wir dann ein anderes Mal machen.

Dafür können wir noch ein paar schöne Fotos machen.


Bevor wir weiterfahren nach Tönning. Nicht aber ohne zuvor am Pharisäerhof zu halten, wo wir eigentlich einen solchen trinken wollten. Leider hat der idyllisch in der Sonne liegende Hof, also natürlich mehr das Café, noch geschlossen. Schade!


Pharisäer wird aus starkem, mit Würfelzucker gesüßtem Kaffee zubereitet, zu dem 4 cl brauner Rum gegeben wird und der dann eine Sahnehaube erhält. Getrunken wird er durch die Sahne, wer diese verrührt, kann unvermutet vor dem Problem stehen eine Lokalrunde bezahlen zu dürfen. Wenns ganz böse kommt.
Erfunden wurde der Pharisäer hier auf Nordstrand und zwar im 19. Jahrhundert. Damit der Pastor nicht merken würde, dass auf der Taufe des sechsten oder siebten Kindes des Bauern Peter Johannsen Alkohol getrunken wurde, kreierte die findige Hausfrau obiges Getränk. Die Sahnehaube verhinderte dabei, dass der Rum im heißen Kaffee verdunstete und es nach Alkohol roch.
Selbstverständlich bekam der Pastor stets einen einfachen Kaffee mit Sahne. Bei der Entdeckung soll er ausgerufen haben: „Oh, ihr Pharisäer! Womit das Nationalgetränk der Nordfriesen nicht nur seine Geschichte, sondern auch seinen Namen hatte.
Wir kriegen unseren Pharisäer dann aber doch noch. Allerdings nicht am Original- schauplatz dieser Geschichte, sondern in Tönning. Mit einer Friesentorte dazu. Eine der kreativen hausgebackenen Sahnetorten. Womit wir mit Sicherheit genug Kalorien für die ganze Woche zu uns genommen haben. Wunderbarerweise ist es hier absolut windstill und die Sonne scheint, so dass wir tatsächlich draußen sitzen können.
Tönning hat einen beschaulichen, fast schläfrig wirkenden historischen Hafen, der von schönen Häusern gesäumt ist.


Eigentlich wollen wir anschließend noch ins Multimar Wattforum, was sich schon deshalb anbietet, weil es grad zu regnen beginnt. Doch wir sind zu spät, es lohnt heut nicht mehr. So machen wir uns auf den Rückweg, um den Abend faul in unserer Ferienwohnung zu verbringen. So viel frische Luft macht wirklich müde. Doch bevor wir in Husum ankommen erregt ein Schild unsere Aufmerksamkeit. Roter Haubarg steht daran. Was das wohl sein mag? Neugierig biegen wir von der Hauptstraße ab, um es herauszufinden.

Der Rote Haubarg entpuppt sich als riesiger historischer Bauernhof aus dem 17. Jahrhundert. Entgegen seinem Namen, ist er nicht rot, sondern weiß, gedeckt mit einem riesigen Reetdach. Ursprünglich soll er mit
roten Dachziegeln gedeckt gewesen sein, die damals deutlich teurer als Reet waren. Doch der erste Haubarg brannte ab, der Folgebau wurde dann mit Reet gedeckt. Der Haubarg ist ein sogenannter Ständerbau, bei dem das Haus hauptsächlich von
Ständern getragen wird, die durch Längs- und Querbalken (Pfetten) verbunden sind. Diese Bauweise trägt unter anderem dazu bei, das Haus widerstandsfähig gegen Naturgewalten, insbesondere Stürme und daraus resultierenden Sturmfluten zu machen. Selbst wenn eine Sturmflut die Mauern eindrückt, halten die Ständer noch das Dach. In dieser Gegend sicher von Vorteil.
Heute findet man in seinem Inneren ein Restaurant, das eine tolle Speisekarte hat, wir kommen tatsächlich in Versuchung, obwohl wir bereits fürs Abendessen eingekauft haben. Aber wir bleiben standhaft. Außerdem beherbergt der Haubarg noch ein kleines, durchaus sehenswertes Museum. Und natürlich hat so ein Gebäude auch eine geheimnisvolle Geschichte, an die eine Skulptur vor dem Gebäude erinnert, ein Teufel. Wen es interessiert, der findet die Geschichte hier:

http://www.roterhaubarg.de/Content/Sage/Sage.php

Den nächsten Tag beginnen wir mit einem Frühstück im Brötchenladen, in dem uns eine ungewöhnlich redseelige, junge Friesin von den Schwierigkeiten des Brötchenverkaufens erzählt. Ohne sich zu fragen, ob wir das überhaupt wissen wollen.
Das Wetter ist gruselig, es stürmt und regnet. Wir verabschieden uns von unserer Ferienwohnung und
machen uns auf den Weg ins Multimar Wattforum. Für dieses Wetter sicher eine gute Entscheidung.
Aber nicht nur bei diesem Wetter. Der Besucher erfährt hier vieles über das Wattenmeer, kann sich spielerisch Gezeiten, Sturmfluten und anderen Geheimnissen des Meeres nähern. In den Aquarien tummeln sich die verschiedensten Meeresbewohner und es gibt sogar ein Walhaus, in dem ein knapp 18 Meter langer, 1997 vor der dänischen Küste gestrandeter Pottwal zu bestaunen ist.
Wirklich sehenswert und zwar nicht nur für Kinder.
Von hier machen wir noch einen Abstecher zum Eidersperrwerk. Auf dem Parkplatz des Aussichtspunktes stürmt es dermaßen, dass wir Schwierigkeiten haben die Treppe zu erklimmen.

Wirklich sehenswert oder sagen wir schön ist das Eidersperrwerk nicht, vor allen Dingen nicht an einem solch grauen und stürmischen Tag wie heute. Aber imposant ist es. Genauso wie der Wind, der an unseren Haaren reißt und uns den Regen ins Gesicht peitscht. Der hier übrigens nicht von oben, sondern von der Seite fällt.
Dieses Sperrwerk kann bis zu sieben Metern über dem mittleren Hochwasser abhalten und sorgt so dafür, dass die Bewohner der Halbinsel Eiderstedt trockene Füße behalten. Zumindes im Moment noch. Wenn sie nicht grad im Regen stehen. Wir flüchten ziemlich schnell wieder in unser Auto und freuen uns, dass das Heulen und Zerren des Windes draußen bleibt. Machen uns auf den Weg zurück. In das nicht ganz so windige Hamburg.












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