Dazu habe ich bisher keine Erfahrungen sammeln können, bei unserer ersten Reise sind wir, wie die meisten anderen auch von Durban aus geflogen. Diesmal wollen wir es anders machen - das tun wir übrigens gerne mal - und fahren von St. Lucia aus Richtung Süden. Unser nächstes Ziel ist der Addo Elephant Park, aber natürlich haben wir bis dort noch zwei Zwischenübernachtungen eingebaut, eine in Kokstad und die zweite in Port Alfred. Schon das entpuppte sich als nicht ganz einfach, allzuviele Unterkünfte in der Nähe der N2 habe ich im Vorfeld nicht finden können.
Wir halten schließlich in Harding an einem Einkaufszentrum und stellen bereits beim Aussteigen fest, dass wir wohl fast die einzigen Weißen hier sind. Auch ein besonderes Gefühl, das sich erst einstellen kann, wenn man die typischen Touristengebiete verlässt. Unseren Hunger können wir hier auf jeden Fall stillen, es gibt gleich mehrere Imbisse. Wir entscheiden uns für das Honchos, eine Kette, die wir nicht kennen und halten kurze Zeit später ziemlich spicyge Hähnchenteile in unseren Händen. Unsere Unkenntnis des Prozedere und die Sprachschwierigkeiten sorgen für reichlich Gelächter bei den Damen hinter dem Tresen.
Nach sieben Stunden Fahrt erreichen wir endlich unser eingezäuntes Gästehaus in Kokstad. Es liegt an einer unbefestigten Straße in unmittelbarer Nachbarschaft einer Art Township. Seltsam wie man sich da fühlt. Als wäre man in zwei Welten unterwegs, die sich gegenseitig ausspähen und misstrauen. Wie priviligiert wir leben... Und obwohl ich persönlich wahrscheinlich keine Verantwortung dafür trage, macht diese Ungleichheit, dass ich mich schuldig fühle. Warum geht es mir so gut? Und anderen so schlecht? Ungerechtigkeit war schon immer etwas, das ich nur schwer ertragen konnte.
Wir verbringen den Abend in unserem Zimmer, verspeisen unsere Reste, spülen das ganze mit dem kläglichen Rest unseres Weines herunter und gehen früh ins Bett, froh darüber, dass auch hier eine Heizdecke für angenehme Temperatur sorgt. Kokstad liegt auf 1300 Meter Höhe, es ist südafrikanischer Winter und außerhalb unseres Bettes ist es auch im Zimmer eisekalt, vor der Tür des Gästehauses knapp oberhalb des Gefrierpunktes. Von reichlich Hundegebell begleitet schlafen wir trotzdem schnell ein.
Unsere Gastgeberin hat uns ein reichliches Frühstück eingepackt, großartige selbstgemachte Sandwiches, Kaffee, Muffins, Joghurt, so viel, dass wir das alles gar nicht werden essen können. Nach zweistündiger Fahrt durch hügelige Landschaft mit pastellfarbenen Rondavels, halten wir, um am Straßenrand ein Stehpicknick zu machen. Wahrscheinlich eher unüblich in dieser Gegend, denn wir ernten reichlich Gewinke, Gehupe und breites Grinsen aus den vorbeikommenden Fahrzeugen. Ordentlich gesättigt gehts weiter, nachdem wir noch kurz hinter den Büschen verschwunden sind. Toiletten unterwegs auf dieser Strecke? Fehlanzeige!
Die größte Stadt durch die wir fahren - mit dem seltsamen Namen Mthatha - scheint auch nichts Schönes zu bieten zu haben. Jedenfalls für unsere europäischen Augen. Was natürlich ein subjektiver Eindruck und möglicherweise totaler Quatsch ist. In Mthatha gibt es sogar Hochhäuser, die in dieser Umgebung irgendwie völlig deplatziert wirken. Ich blättere in unserem Reiseführer und lese, dass das einzig Sehenswerte hier das Nelson Mandela Museum ist und dass dieser im 30 Kilometer entfernten Dorf Qunu seine Kindheit verbracht hat. Klar, die ehemalige Transkei war das Homeland des Xhosa Volkes. Eine Universität gibt es hier auch, von der just in dem Moment eine Demonstration startet, als wir dort vorbeifahren. Worum es geht, wissen wir nicht, aber irgendwie fühlen wir uns erneut fehl am Platz - zwei weiße Touristen in ihrem Mietauto neben all den in die Luft gestreckten farbigen Fäusten.
Weiter gehts, es ist immer noch eine Menge Strecke übrig. Und natürlich ist nicht alles was wir sehen unschön. Der mit Wolken gesprenkelte Himmel überspannt eine teilweise wunderschöne Landschaft, Menschen gehen ihrem Tagewerk nach, Tiere kreuzen unsere Wege, ich bin mir sicher, würden wir die N2 verlassen und Richtung Wildcoast fahren, wären wir begeistert. Doch dafür fehlt uns die Zeit, dann hätten wir anders planen müssen.
Zu guter Letzt, als nur noch wenig mehr als 100 Kilometer vor uns liegen, passiert das, was man sich als Reisender in Südafrika schon einmal gar nicht wünscht. Die Polizei hält uns an. Wegen der vielen Lastwagen, die sich die Steigungen hinaufquählen, wird auf dieser Strecke auch gerne mal an Stellen überholt, an denen es - wahrscheinlich aus guten Gründen - verboten ist. Oft macht das langsamere Fahrzeug sogar Platz, fährt links auf einer Art Standstreifen und man bedankt sich einmal kurz mit dem Warnblinker. Da dieser Standstreifen aber auch oft von Fußgängern oder auch zum ein- und aussteigen genutzt wird, ist das ganze sicher auch eine ziemlich unfallträchtige Geschichte.
Erwischt! 2000 Rand sagt der gute Mann, Daumen in den Hosentaschen mit ernster Miene. Eigentlich muss das auf dem Polizeirevier gezahlt werden und dort erhält man dann auch eine ordentliche Quittung. Doch genau solche Situationen werden von den Polizisten auch gerne als Zusatzeinkommen genutzt, um ihr mageres Gehalt aufzubessern. Für 1000 Rand Cash lässt er uns weiterfahren. Sagt er. Ja, wir wissen, dass man das so nicht machen sollte. Doch die Anschuldigung ist berechtigt, das Prozedere spart uns auf jeden Fall Zeit. Geld? Das wissen wir nicht wirklich. Die verbliebene Strecke fahren wir deutlich vorsichtiger und hoffen dabei, dass die beiden Polizisten das Geld für die Schulbildung ihrer Kinder zurücklegen. Oder zumindest ihre Liebste zum Essen einladen.
Kurz vor unserem Ziel führt uns die Straße dann an unserem Heimatort vorbei. Auch in Südafrika gibt es ein Hamburg!
Am späten Nachmittag kommen wir endlich in unserem Guesthouse in Port Alfred an. Eine zauberhafte kleine Wohnung, hoch oben über der Stadt mit gigantischem Ausblick auf die tosende Brandung des indischen Ozeans. Besonders freuen wir uns über die Heizung, denn die Temperatur erinnert im Moment eher an kalte, windige Nordseetage. Tja, wir sind wieder in der Welt der Weißen gelandet.
Mein Fazit zu dieser langen Autofahrt:
Wir haben Eindrücke gewonnen, die wir auf den normalen "touristischen" Routen sicher nicht bekommen hätten. Doch wir waren nur Durchreisende, sind eher als Zaungäste in dieser Welt unterwegs gewesen. Es war wirklich anstrengend, darum würde ich das nächste Mal auf jeden Fall wieder fliegen, wenn ich aus KwaZulu-Natal in den Süden möchte. Doch verdient diese Gegend einen zweiten Blick, einen intensiveren. Bei irgendeiner folgenden Reise werden wir uns die Wildcoast mal genauer ansehen. Mit Zeit und Muße sich auf diese Gegend und ihre Menschen wirklich einzulassen. Denn was ich an Südafrika so faszinierend finde, sind die Menschen, die auch in eine Wellblechhütte ein Lachen zaubern können, obwohl sie unter schwierigen Bedingungen in eine ungewisse Zukunft schauen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen