Urlaub Anno 1988 - Jugoslawien - unendliche Kilometer

Früher war alles besser. So höre ich es in meiner Altersklasse in letzter Zeit oft stöhnen. Alles besser? Nicht unbedingt. Aber anders. Auch die Art, wie man Urlaub machte.
Tja, damals stand die Mauer noch. Deutschland war geteilt durch einen Todesstreifen. Pauschalreisen gab es zwar schon, aber für uns kamen die nicht in Frage. Waren irgendwie bieder... und außerdem viel zu teuer. Wir waren immer klamm, aber hatten keine Angst vor vielen Kilometern. Die fuhr man halt. Benzin war im Vergleich zu heute eher günstig. Selbst in Deutschland kostete der Liter Normalbenzin damals lediglich 91 Pfennig, im Ausland, vor allem im Östlichen, war es noch biliger.

1000 Kilometer bis ins Österreichische schafften wir als Tagestour, der Hintern war abgehärtet, dann wurde noch das Zelt aufgebaut. Grundsätzlich hatten wir überlegt nach Griechenland zu fahren. Aber das Ziel war nicht fix, mal sehen wie es kam. Als einzige Erleichterung ersparten wir uns nach so vielen Kilometern das Kochen und es gab deftige Kost in einem günstigen Wirtshaus. Am nächsten Morgen nochmal das gleiche Gerödel, alles abbauen, verstauen und weiter gings. Das nächste Ziel, der Nationalpark Plitvicer Seen, diesmal nicht so weit entfernt, nur etwas unter 500 Kilometern, aber Landstraße, Pässe, Tunnel, die jugoslawische Grenze... das konnte dauern.
Die mit der Honda CB 750 erreichten 100.000 Kilometer wurden am Straßenrand irgendwo in Jugoslawien mit einem warmgewordenen schalen Sekt aus der Piccoloflasche begossen. Es wurde dunkel, es wurde Nacht und wir waren immer noch nicht da. Irgendwann hielten wir an einer Feldeinfahrt im Nirgendwo, schnallten im Taschenlampenlicht die Schlafsäcke ab und legten uns dort zum schlafen. Mit leichtem Muffensausen, denn wir waren ja im Osten und wer wusste schon, ob man das so durfte...
Doch außer Hundegebell störte uns niemand. Am nächsten Morgen Katzenwäsche  und Schlafsäcke wieder festschnallen. Weiter gings und am späten Vormittag hatten wir den Campingplatz bei den Plitvicer Seen endlich erreicht.
 Also alles wieder runter vom Motorrad, Zelt aufbauen und dann bei gefühlten 40° erstmal faulenzen.
Großgeworden mit den Winnetoufilmen war Plitvice uns allen ein Begriff, hier wurden unter anderem Szenen für "der Schatz im Silbersee" gedreht. Einen ganzen Tag lang liefen wir uns dort die Füße rund, wegen der Hitze eines der seltenen Male, dass in kurzer Hose mit dem Motorrad gefahren wurde. Wegen genau dieser Hitze waren die Wasserfälle eher spärlich, schade, doch man durfte damals in den Seen noch baden. Worüber wir wirklich dankbar waren.
Schon am nächsten Tag gings dann weiter, schließlich lag ja noch einiges an Kilometern vor uns bis nach Griechenland. Erstmal sollte es aber Richtung Hvar gehen, eine Insel in der Adria vor der dalmatinischen Küste. Weitere knappe 400 Kilometer über nicht so gut ausgebaute jugoslawische Straßen, teilweise hinter hustenden und spuckenden Lastwagen herschleichend, die wegen zahlreicher Kurven nicht immer einfach zu überholen waren.
Schotterpisten und Lastwagen hinterließen ihre Spuren an uns, dem Gepäck und den Motorrädern.
Auf der Insel Hvar blieben wir dann erstmal hängen. Ein Campingplatz im Pinienwald, zwar mit felsigem Untergrund, direkt am kristallklaren Wasser, eine schöne Insel mit wunderbarer Inselhauptstadt und alles wirklich günstig. Was will man mehr?
Ein paar schöne, faule Tage verbrachten wir dort, bevor es weiterging. Zurück mit der Fähre aufs Festland und weiter Richtung Süden.

Reifenprofil wird übrigens heute total überbewertet, gut ist es, wenn man überhaupt einen Reifen hat.
Auf dem Weg nach Griechenland lag uns nun Albanien im Weg, damals nicht unbedingt ein einfach zu bereisendes Land. Ein Land, in dem es weder Coca Cola, Schokolade, Steuern noch Privatautos gab, aber dafür den strammsten Marxismus-Leninismus des Balkans. Hier durften damals weder Jugoslawen, noch Russen oder Chinesen einreisen, auch keine Priester oder Journalisten. Jugoslawien und Albanien stritten sich schon damals um das Kosovo und wir beschlossen lieber einen Umweg in Kauf zu nehmen. Übers irgendwie muslimisch wirkende Mostar ging es Richtung Montenegro.
Unser nächster Campingplatz lag auf einem von Stacheldraht umgebenen Hotelplatz und machte einen wenig einladenden Eindruck. Mangels anderer Möglichkeiten übernachteten wir aber trotzdem dort. Irgendwann verabschiedeten sich unsere Freunde Richtung Österreich. Sie hatten beschlossen, dass sie doch lieber in bekannter Umgebung mit mitteleuropäischem Standart Urlaub machen wollten.
Wir verabschiedeten uns von der Griechenlandidee, die restliche Urlaubszeit hätte nicht ausgereicht dort noch anzukommen oder besser von dort wieder zurückzukommen. Statt dessen fuhren wir mit Muße durch Serbien und Bosnien. Übernachteten auf Campingplätzen, wo die männliche Putzkraft in Riesengummistiefeln den Reisigbesen durchaus erst zum säubern der Toiletten und danach für die Waschbecken nutzte. Schauten uns die orthodoxen Kirchen an, badeten in Thermalbädern, bis an einem Sonntagnachmittag auf einer einsamen Landstraße irgendwo bei Banja Luka unser Gepäckträger brach. Was nun? Ein vorbeikommender Fahrradfahrer lotste uns in den Vorgarten eines Freundes. Übrigens ohne dass einer die Sprache des anderen sprach. Kein Problem. Wir haben ja Hände und Füße.
Der Freund hatte eine kleine Werkstatt, schweißte unseren Gepäckträger, während seine Frau uns reichlich Essen in die Garage trug, das mit noch mehr selbstgebranntem Slivovic heruntergespült wurde. Als wir die Garage mit heilem Gepäckträger wieder verließen, übrigens ohne einen Pfennig dafür bezahlen zu können, das wurde vehement abgelehnt, waren wir so betrunken, dass wir an der nächsten Feldeinfahrt wieder anhielten.
Schlafen auf dem Feld mit dem Sternenhimmel darüber ist nicht unbedingt die schlechtest Option und wir kannten das ja inzwischen.
Zurück in Österreich, wo wir uns mit den Freunden wieder treffen wollten (was nicht geklappt hatte, aber was solls) wurde aus Spaß am Fahren mal eben die Großglockner Hochalpenstraße  bewältigt.
Gigantische Ausblicke in zunehmend dünner werdender Luft. Ein Traum!
Dann waren es ja nur noch etwas über 1000 Kilometer, bis wir wieder in Hamburg waren. Nur wenig über 5000 Kilometern in knappen 3 Wochen. Mit Zelt, Schlafsäcken und Kochgeschirr. Und dem Gefühl, dass man alles bewältigen kann. So war unser Urlaub Ende der Achtziger.



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