Begegnungen

Manchmal sind es ganz kleine Episoden, die mir aus einem Urlaub besonders in Erinnerung bleiben. Von so einer will ich hier heute berichten. Vielleicht weil bald Weihnachten ist. Vielleicht weil ich finde, dass unsere Welt mehr solche Gesten braucht. Vielleicht weil ich in letzter Zeit zu viel intolerantes, dummes Geschwätz gehört habe.
Barcelona an einem Sonntag am frühen Morgen. Wir sitzen im Regionalzug, der uns zum Kloster Montserrat bringen soll. Die Bahn ist voller Touristen, jeder Sitzplatz besetzt. Uns gegenüber sitzt eine kleine Frau mittleren Alters. Ihre Hände ruhen auf dem Griff eines Einkaufstrolleys, der gefüllt ist mit Getränkedosen. Sie sieht unendlich müde aus. Ihre Augen scheinen zu viel gesehen zu haben, ihre Schultern zu viele Lasten getragen zu haben. Ihre Kleidung ist einfach, an einigen Stellen geflickt. Keine Schminke, die dunklen Haare fallen ihr glatt auf die Schultern. Sie schaut auf ihre Hände, hebt selten den Blick. Was macht sie hier in dieser Bahn voller Touristen? Hält sie ihre Familie über Wasser indem sie an den Sehenswürdigkeiten Getränke verkauft? Gehört sie zu den Verlierern der Finanzkrise, zu dem Heer Arbeitsloser, die in Spanien nur geringe Chancen haben erneut einen Job zu finden? Oder zu den nordafrikanischen Flüchtlingen, die sich, weil illegal im Land irgendwie über Wasser halten müssen?
Meine Gedanken werden von einem jüngeren Mann unterbrochen, der kleine Flyer an die Fahrgäste verteilt. Auf englisch ist dort zu lesen, dass er um eine Spende bittet. Ohne Arbeitslosengeld weiß er nicht, wie er seine Familie weiterhin ernähren soll. Nur wenige Touristen öffnen ihre Geldbörsen.
Die Frau mit den müden Augen aber beginnt in ihrer Hosentasche zu kramen und fördert einige kleine Münzen zu Tage. Eincent-, Zweicent-, Fünfcent- und Zehncentmünzen. Sie reicht einige davon dem jungen Mann. Der sie nicht nehmen will. Wohl sieht, dass sie selber nur wenig hat. Doch mit ruhiger Geste lässt sie die Geldstücke in seine Hand fallen, schließt begütigend seine Finger und nickt ihm freundlich zu.
Menschen am Rande der Gesellschaft. Die nur wenig besitzen. Und trotzdem geben. Weil sie wissen, wie es sich anfühlt bedürftig zu sein. Wir sollten uns ein Beispiel an ihnen nehmen.
Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten.

1 Kommentar:

  1. Oh, die ist wirklich sehr berührend!

    Ich wünsche Euch auch schöne Weihnachtstage!!!
    LG

    AntwortenLöschen