Lübeck - ein Besuch im grauen November

Was erwartet man im November in Deutschlands Norden? Grauen Himmel und Regen. Insofern sind wir froh, dass uns an diesem Samstag nur der graue Himmel in Lübeck empfängt. Es ist kalt und windig, aber trocken.
Nachdem wir das Parkhaus verlassen haben, erblicken wir das Holstentor, halb verdeckt von einer bunten Backsteinmauer. Wenigstens etwas Farbe im tristen Grau. Das letzte Mal in der Lübecker Altstadt war ich in der 6. Klasse. Schon eine Weile her, so knappe 40 Jahre. Das ist natürlich für das Holstentor, das über Jahrzehnte den 50 DM-Schein zierte und bereits seit 1478 hier steht, nicht wirklich lang.
Und so steht es, den Südturm leicht nach innen geneigt, noch genauso wie ich es aus meiner Kindheit erinnere. Nur dass damals die Sonne schien und kein häßlicher Bauzaun den Anblick verschandelte. Wir suchen den besten Winkel zum Fotografieren, doch der blöde Bauzaun verschwindet einfach nicht von den Fotos.
Dafür pfeift der Wind ordentlich durchs Tor und es wird Zeit Handschuhe anzuziehen. Wir entschwinden erst einmal ins Stadtgeschichtliche Museum, das im Inneren untergebracht ist. Hurra, es ist warm, wir zahlen unsere 6 € Eintritt pro Person und steigen treppauf, um uns schlau zu machen. Hier erfährt man so allerhand über den Handel und das Stadtleben im Mittelalter und kann sich das, dank eines Stadtmodells aus dem 17. Jahrhundert, auch recht gut vorstellen.
Nachdem wir aufgewärmt sind, alles gesehen haben und vergeblich nach einem guten Ausblick Ausschau gehalten haben, den wir dank der bleiverglasten Fenster leider nicht finden, gehts wieder hinunter und hinaus in die Kälte. Ganz leichter Nieselregen empfängt uns draußen, der aber - natürlich nachdem wir den Schirm aus dem Auto geholt haben - wieder aufhört.
Nur einige wenige Schritte vom Holstentor entfernt stehen die Salzspeicher, sechs Backsteingiebelhäuser, in denen früher das aus Lüneburg kommende Salz gelagert wurde. Lange vor Konservendosen und Tiefkühltruhen war Salz immens wichtig, um Fisch und Fleisch zu konservieren. Besichtigen kann man hier nichts, die Häuser beherbergen heute diverse Geschäfte.
Wir schlendern durch schmale Gassen, am Figurentheater vorbei, von dem ich mir habe sagen lassen, dass es auch ein erwachsenes Publikum begeistern kann, und freuen uns über jeden Farbkleks.
Von der Aussichtsplattform der St. Petrikirche - auf die man übrigens ohne Atembeschwerden mit dem Lift hinauffährt - gelingt uns dann auch ein baustellenzaunfreies Foto des Holstentores. Die St. Petrikirche hat keine eigene Gemeinde, da sie nach dem 2. Weltkrieg lange Zeit als Ruine ihr Dasein fristete und erst 1987 wieder aufgebaut war. Heute dient sie eher als Veranstaltungsstätte und beherbergt auch ein Café. Die Liftfahrt auf den Turm schlägt mit 3 Euro zu Buche.
Zeit für eine Pause. Natürlich stilecht im Café Niederegger. Es ist voll, was nicht anders zu erwarten war. Doch wir haben Glück und erwischen einen Tisch direkt am Fenster mit Blick auf das Lübecker Rathaus.
Was wäre Lübeck ohne Marzipan? Also gibt es den Klassiker - Marzipantorte und ein Kännchen Kaffee. Ein wenig Rentnermäßig komme ich mir schon vor... aber egal, die Torte ist absolut köstlich.
So gestärkt bummeln wir weiter durch Lübeck. Begeleitet durch musikalische Darbietungen unterschiedlichstem Standart und verschiedenster Qualität. Während der kleine Saxophonist sein Handwerk tatsächlich beherrscht, erzeugen die dissonanten Geigenklänge zweier Mädels im Teenageralter nicht nur Gänsehaut, sondern darüber hinaus den Wunsch ihnen ihre Instrumente zu entwinden und an der nächstgelegenen Backsteinmauer zu zertrümmern. Aber wir haben unsere Triebe im Griff und schlendern mit zusammengebissenen Zähnen an ihnen vorbei.
Vor dem wunderschönen Lübecker Rathaus wird noch ordentlich gehämmert, obwohl die meisten Buden für den Weihnachtsmarkt, der am nächsten Wochenende seine Tore öffnet, bereits stehen. Ein vernünftiges Foto ist so leider unmöglich.
Ein kurzer Blick hinein offenbart uns altehrwürdige Pracht, in der Eingangshalle liegen zwei Kondolenzbücher aus, eines für den kürzlich verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt, eines für die Opfer des Pariser Terroranschlag. Besichtigt werden kann das Rathaus nur im Zuge einer Führung, das sparen wir uns dann mal.
Das Buddenbrookhaus, in dem Thomas Mann einen Teil seiner Kindheit verbrachte, entdecken wir nur dank der Karte in unserem Reiseführer. Die Stadt Lübeck ist doch sehr sparsam mit ihrer Beschilderung, eigentlich waren so gut wie keine Hinweisschilder auf Sehenswürdigkeiten zu finden. Das ist schade und auf jeden Fall verbesserungswürdig.
Wir versuchen im historischen Lokal "Schiffergesellschaft" für den Abend einen Tisch zu reservieren, was sich schwierig gestaltet, so dass wir ins Gewölbe des Kartoffelkellers ausweichen. Zuvor führt uns unser Weg aber noch am Heiligen-Geist-Hospital vorbei, das heute wegen des Aufbaus des Weihnachtsmarktes geschlossen ist, bis hin zum sehenswerten, aber weniger bekannten Burgtor.
Zurück geht es durch das Gängeviertel, Engelswisch und Engelsgrube. Mit Engeln hat das ganze aber nichts zu tun, der Name leitet sich von den Englandfahrern ab, die von hier ihre Waren verkauften. Inzwischen sind wir ziemlich durchgefroren, trotzdem machen wir einige Abstecher in die schmalen Gänge, die früher von Hafenarbeitern und Kistenpackern bewohnt wurden. Manche lassen sich tasächlich nur gebückt erreichen und man muss aufpassen, dass man sich nicht den Kopf stößt.
Nachdem wir am Museumshafen angekommen sind, beschließen wir unsere Hotelzimmer zu beziehen und uns am Abend erneut auf den Weg zu machen. Es pfeift ein böser, eisiger Wind und wir brauchen eine Pause.
Kurz bevor wir das Holstentor wieder erreicht haben, stiehlt sich ein einsamer Sonnenstrahl durch die Wolkendecke, erhellt die Umgebung für einen kleinen Augenblick und wird dann erneut vom Einheitsgrau wieder vereinnahmt.
Unser Hotel liegt auf der anderen Seite an der Wakenitz, als wir es erreichen regnet es und wird bereits dunkel. Unser abendlicher Spaziergang zum Kartoffelkeller entfällt, bzw. wir nehmen den Wagen, finden sogar einen Parkplatz in nicht allzuweiter Entfernung und schlagen uns dann so richtig den Bauch voll.
Mein Lübecker Fazit: Eine wirklich schöne Stadt, die auch im Novemberdauergrau noch ihren Charme zeigen kann. Für den nächsten Besuch würde ich mir aber eher einen sommerlichen Tag aussuchen.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen