Doch zuerst heißt es tanken und erneut Luft auffüllen. Irgendwie verliert der linke Hinterreifen Luft. Das muss im Auge behalten werden. Melman nimmt seinen Platz an der Windschutzscheibe ein und ab gehts auf die Piste.
Gut dass wir trotzdem früh loskommen, die C 12 zwischen Gawachab und Seeheim entpuppt sich nämlich als Katastrophenstrecke. Eine Wellblechpiste vom allerfeinsten! Alles an unserem Toyota klappert, die vielen Plastikteile, die hier in Schwingung geraten, habe ich vorher gar nicht bemerkt. Unmöglich eine passende Geschwindigkeit zu finden. Es kann sich auch niemand erinnern, dass wir diesen Streckenabschnitt bereits auf dem Hinweg gefahren sind. Da war die Straße gar nicht so furchtbar. Ein Blick auf die Karte zeigt uns, dass wir hier tatsächlich bisher noch nicht waren. Wir müssen auf dem Hinweg die D 545 am Nautedamm genommen haben. Tja, aber nun müssen wir hier durch. Und schneller als 20 km/h zu fahren ist unerträglich. Das senkt unseren Schnitt natürlich total und kratzt darüberhinaus an unseren Nerven. Als wir bei Seeheim endlich die Asphaltstraße erreichen, sind wir alle heilfroh.
Auch hier lässt wieder mit jedem gefahrenen Kilometer die Vegetation nach. Es ist unendlich einsam, jedenfalls im Vergleich zu deutschen Straßenverhältnissen. Nur selten kommt uns ein Fahrzeug entgegen. Ein kurzer Abstecher führt uns zu einer Wasserstelle ( Garub wild horses ) am Rande der Namib. Fast fahren wir daran vorbei, das Hinweisschild ist winzig und zugestaubt. An dieser Wasserstelle kann man die sagenumwobenen Wildpferde treffen... wenn man Glück hat. Über die Herkunft dieser Wildpferde gibt es die unterschiedlichsten Theorien. Man vermutet, dass es Nachfahren der Millitärpferde der deutschen Schutztruppe sein könnten oder Nachfahren entlaufener Pferde eines Gestüts ( Duwisib ) oder was auch immer sonst. Nur keine "echten" Wildpferde, da es solche im südlichen Afrika nicht gegeben hat.
Kurz vor Lüderitz schließlich Sanddünen, die Ausläufer der Namib. Wie jemand auf die Idee kommen kann, in dieser kargen, wasserlosen Gegend eine Stadt zu gründen, ist mir ein Rätsel. Die spinnen, die Deutschen! Irgendwann glitzert hinter den Sanddünen verheißungsvoll der Atlantik in der Sonne und etwas später fahren wir in das kleine Stadtchen Lüderitz.
An der ersten Tankstelle (vielleicht ist es auch die einzige?) prüfen wir erstmal wieder den Reifendruck. Wieder muss etwas aufgefüllt werden, aber er hat nur wenig Luft verloren. Tja, der Gedanke an einen Reifenwechsel drängt sich inzwischen irgendwie auf. Hat eigentlich irgendjemand den Reservereifen überprüft?
Wir wohnen im Nesthotel, unsere Zimmer haben Blick auf den Atlantik. Kurze Pause, dann gehts zu Fuß in die Stadt. Wer Lüderitz touristisch nennt, der prahlt, trotz schöner alter Bausubstanz hat die Stadt irgendwie den Anschluss verloren.
Obwohl einiges dafür getan wird Lüderitz attraktiver zu machen, bestehen wirklich schöne Straßenzüge hauptsächlich aus leerstehenden Gebäuden, alles wirkt ein wenig angestaubt. Schade! Die deutschen Wurzeln sind tatsächlich noch überall in der Stadt sichtbar. Es gibt Gebäude, die könnten auch an der Ostseeküste stehen, die Straßen heißen Bismark- oder Nachtigallenstreet und viele Firmennamen sind eindeutig deutsch.
Auch die neue Waterfront hält nicht das, was ich mir davon verspreche. Allerdings muss ich sagen, dass man einen Vergleich mit der Victoria & Albert Waterfront in Kapstadt eigentlich auch nur verlieren kann. Trotzdem, es gibt nur wenige Shops, von denen auch noch einige geschlossen haben und selbst die verschlossene Touristeninfo liegt einsam und verstaubt da. Hier ist definitiv noch Luft nach oben. Vielleicht wird das ja noch, viele Kreuzfahrtschiffe haben Lüderitz inzwischen mit im Programm und tatsächlich hat das Umland ja einiges zu bieten.
Wir essen eine Kleinigkeit, Lüderitz ist ja bekannt für seine Austern, der eine oder andere muss diese unbedingt probieren. Ich bin da eher ein Banause und schlürfe nicht so gerne nach Seewasser
Als die Sonne untergeht, machen wir uns zurück auf den Weg ins Hotel. Unterwegs finden sich auch noch die etwas anderen Fotomotive...
Die Lüderitzbucht wurde schon zum Ende des 15. Jahrhunderts vom portugiesischen Seefahrer Bartholomeu Diaz entdeckt, aber erst zum Ende des 19. Jahrhunderts gründete ein Bremer Kaufmann namens Lüderitz hier eine Niederlassung. Warum er das gerade hier tat, entzieht sich meinen Kenntnissen.1884 übernahm das deutsche Kaiserreich die Besitzungen und legte damit den Grundstein für die Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Doch fristete der Ort ein eher unbedeutendes Dasein bis zum Jahr 1908, als beim Bau der Bahn (ahja, die Bahnschienen...) die ersten Diamantenvorkommen entdeckt wurden. Innerhalb kürzester Zeit wuchs nicht nur Lüderitz, sondern vor allem das ein wenig ausserhalb gelegene Kolmanskuppe, wo enorme Mengen Diamanten gefunden wurden. Alles stürmte in die Wüste in der Hoffnung auf das schnelle Glück. Innerhalb von zwei Jahren entstand in der kargen Sandwüste ein kompletter Ort mit Kasino, Schule, Krankenhaus und exklusiven Wohnhäusern. In riesigen Fabrikanlagen wurde der diamanthaltige Kies gesiebt und gewaschen. Bis zum ersten Weltkrieg konnten über 1000 Kilo Diamanten gefördert werden. Nach dem Krieg gingen die Diamantenfunde sehr stark zurück. Ausserdem wurden weiter südlich bei Oranjemund erheblich größere Diamanten gefunden. Nach und nach verließen die Menschen Kolmannskuppe. Die Wüste holte sich im Laufe der Jahrzehnte zurück, was der Mensch ihr abgerungen hatte. Die Häuser verfielen zusehends und in ihnen häufte sich der Sand meterhoch. Die Inneneinrichtung wurde teilweise zerstört oder mitgenommen. Kolmanskuppe wurde endgültig eine Geisterstadt. Ja, und die wollen wir heute besuchen.
Nach dem Frühstück fahren wir los, damit wir rechtzeitig zum Einlass um 9.30 Uhr dort sind. So stand es jedenfalls in unserem Reiseführer. Tatsächlich öffnen sie aber heute schon um 8 Uhr. Egal! Wir parken mit unserem Toyota vor dem ehemaligen Kasino, das inzwischen ein kleines Café beherbergt. Ein Teil schließt sich einer Führung auf Deutsch an, die gerade gestartet ist, wir verzichten auf die Führung. Lieber besichtigen wir die sandverwehten Häuser, solange die Hitze noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat und die Gruppen noch anderweitig unterwegs sind.
Kolmannskuppe ist ein Traum, für alle die verfallene Gebäude, alte Ruinen, Spuren des Vergangenen schätzen. Diese Stadt hält uns vor Augen, dass nichts Irdisches auf Dauer Bestand hat, dass alles stets im Wandel ist. Sie bietet ständig neue Ausblicke und wirkt unter der strahlenden Sonne und dem blauen Himmel irgendwie verzaubert. Wieviele Träume und Wünsche mögen die Bewohner hier gehegt haben? Wieviel Liebende haben sich hier gefunden, wieviele Illusionen sind hier vom Wüstensand verweht worden? Ein Ort der nachdenklich stimmt. Und für den meine Worte nicht ausreichen, deshalb folgen jetzt viele Fotos.
Meterhoch türmt sich der Wüstensand in den Häusern |
Die alte Ladenzeile. Eine Schmalspurbahn brachte die Hausfrauen zum Einkaufen hierher. Es gab einen Bäcker, einen Schlachter, eine Eisfabrik und, und, und... |
Türen, die auf Dauer offenstehen... |
Bordüren an der Küchenwand... |
Badewannen, die niemand mehr zum Bade nutzt... |
hier wird nichts mehr geschaltet... |
ein Haus nach dem anderen erobert sich die Wüste zurück... |
keine trappelnden Füße mehr auf den Treppen... |
Zimmerfluchten, durch die der heiße Wüstenwind die Sandkörner treibt... |
Sonnenlicht fällt durch die Dachskelette, zaubert Muster auf Wände und Wüstensand |
Einam liegen die Ruinen unter der heißen Sonne... |
Die Tür zum Krankenhaus. Kein Arzt, keine Schwester, warten dahinter auf Kranke... |
Im langen Krankenhausflur: Stille |
Niemand fegt den Sand zusammen, keine fleißige Hand putzt den Staub von den Fenstern... |
Den Rest des Tages füllt ein erneuter Stadtbummel, mit Besichtigung der Felsenkirche, die hoch oben über der Stadt thront. Die bunten Glasfenster sind eine Spende von Kaiser Wilhelm II. Vor dem blauen Himmel wirkt sie imposant, das Innere finde ich eher unspektakulär. Die Kirche öffnet nur für eine Stunde am Tag ihre Pforten.
Danach bummeln wir noch eine Weile durch die Stadt, kaufen eine Auswahl in einem Biltong-Geschäft, besuchen den Sparmarkt, decken uns dort mit Leckereien ein und bewundern immer wieder die alten wilhelminisch anmutenden Bauten.
Das abendliche Dinner im Nesthotel ist wieder lecker und reichhaltig, unsere Bedienung für den heutigen Abend lockerer, als der Kellner von gestern. Morgen heißt es erneut Weiterfahren, es geht Richtung Sossusvlej, wegen der langen Strecke mit einem Zwischenstop in den Tirasbergen. Wir sind schon ganz gespannt.
Kolmanskuppe ist definitiv genau das Richtige für mich, hab es gleich auf meine Wunschliste gesetzt, auch wenn Namibia bis jetzt noch gar nicht in Betracht gezogen wurde.
AntwortenLöschenTatsächlich musste ich an dich denken, während wir dort waren. Das würde dir mit Sicherheit gefallen. Ich hätte auch noch einen zweiten Tag dort verbringen können, soviel gab es dort zu entdecken.
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