Kutna Hora - heilige Erde, ein überquellender Friedhof und die Knochenkirche

Es war einmal ein Zisterzienserkloster. In Böhmen. Genauer gesagt im heutigen Sedlec. Wie das in Klöstern so ist, lebten hier Mönche, und zwar seit dem 12. Jahrhundert, hauptsächlich vom Silberabbau. Abt Jindrich machte sich dereinst von dort auf zu einer Jerusalem-Reise. Das machte man damals so, wenn man es sich leisten konnte. Oder wenn es darum ging den heiligen Glauben oder ähnlich Seltsames zu verteidigen. Nunja, er sollte nur eine Botschaft nach Jerusalem bringen, war also quasi als Postbote unterwegs. Aber wie wir heute von unseren Urlaubsreisen, brachte auch Abt Jindrich damals etwas mit, als er im Jahre des Herrn 1278 zurückkehrte. Nämlich etwas Erde vom angenommenen Kreuzigungsort Jesus. Die verstreute er alsbald auf dem Friedhof des Klosters, um diesen noch ein wenig heiliger zu machen. Vielleicht hätte er anders gehandelt, hätte er gewusst was daraus entstehen würde. Aber das wusste er ja nicht.
Auf einmal war es "in" sich auf diesem Friedhof bestatten zu lassen. Schließlich war er ja heiliger als andere Friedhöfe. Vielleicht kam man von hier aus schneller ins Paradies? Das war doch anzunehmen? Eine sichere Eintrittskarte? Die Fahrkarte in den Himmel? Ein wahrer Bestattungstourismus setzte ein. Nicht nur aus der näheren und ferneren Umgebung brachte man die Toten, nein, auch aus Bayern, Polen oder Belgien wurden die Dahingeschiedenen zur letzten Ruhe angekarrt. Schon vor der Pestepedemie dehnte sich der Friedhof auf eine Fläche von 3,5 Hektar aus. 1318 raffte der schwarze Tod dann mal eben 30.000 Menschen in der Umgebung hinfort. Langsam wurde es eng. Neue Gräber mussten geschaffen werden. Wohin bloß mit all den alten Gebeinen? Praktische Lösungen waren gefragt. Und so stapelte man fortan die exhumierten Knochen in der neuen gotischen Kapelle, dem Beinhaus. Auch die Hussitenkriege (1419 bis 1436)  bescherten noch einmal ordentlich Nachschub an Gebeinen.
Irgendwann wurde der Bergbau dann unrentabel, das benachbarte Kutna Hora versank in unbedeutende Provinzialität und mit ihm das Kloster in einen Dornröschenschlaf. Seit 1784 existiert es gar nicht mehr.
1866 wollte auch die Kirche das alles nicht mehr nutzen und verkaufte das ganze an das böhmische Adelsgeschlecht Schwarzenberg. Was aber macht man mit einer Kapelle, in der sich sechs Pyramiden aus menschlichen Knochen von schätzungsweise  40.000 Toten befinden? Die vor ewigen Zeiten ein halbblinder Mönch aufstapelte. Ist ja nicht unbedingt etwas, das man jeden Tag kauft. Tja, die Schwarzenbergs beauftragten den Holzschnitzer František Rint mit der Ausgestaltung des Beinhauses. Der bastelte dann aus Rippen, Hüftknochen, Schädeln und was es sonst noch an menschlichen Knochen gibt, einmalige  Kelche, Kreuze, Leuchter und Schädelpyramiden, um diese dann dekorativ und ganz wie es sich für eine Kirche gehört in der Kapelle zu verteilen. Unglaublich!
So steht man also heute unter einem Leuchter, der sämtliche 206 Knochen des menschlichen Körpers beinhalten soll. Steht staunend zwischen all diesen menschlichen Überresten und fragt sich, was diejenigen, denen das Begräbnis in heiliger Erde einst so wichtig war, wohl davon halten würden, dass sie hier nun als Innendekoration die Nachwelt erfreuen.
Dieser Ort ist skurril, makaber, manche mögen ihn gespenstisch nennen, ich finde ihn aber vor allen Dingen eines, nämlich sehenswert. Mich erinnert er daran, dass wir alle auf dieser Welt nur zu Besuch sind, unser Stundenglas irgendwann abläuft und wir nicht mehr sind, als ein Wimpernschlag in der Geschichte der Menschheit.
Macht euch selber ein Bild, die praktischen Tipps findet ihr dann unten.
Ich empfehle den Besuch der Knochenkirche am frühen Morgen, je fortgeschrittener der Tag, desto voller wird es dort. Wir sind gegen 11 Uhr angekommen und tatsächlich ist es dann bereits höhere Kunst Fotos ohne Menschen zu machen.
Wir haben von Prag aus den Regionalzug genommen, der mehrmals täglich verkehrt und etwas über eine Stunde für die Strecke nach Kutna Hora benötigt. Abfahren tut dieser im Prager Hauptbahnhof, der auf tschechisch hlavní nádraží heißt. Die rote Linie der Metro (C) bringt euch dorthin. Fahrkarten gibt es unterhalb der Fernbahngleise (also nicht dort, wo es die Metrokarten gibt), wenn ihr dort seid, nehmt die Schalter auf der linken Seite, die sind für nationale Verbindungen, rechts gibt es nur internationale Fahrkarten. Wenn ich mich nicht total verrechnet habe, kostete die Hin- und Rückfahrt für zwei Personen irgendwas bei zwanzig Euro. Danach geht ihr kurz an den Infoschalter, die sind total freundlich und drucken euch die Fahrzeiten aus.
Achja, eine tschechische Besonderheit ist, dass bis 15 Minuten vor Abfahrt das Gleis nicht bekannt ist, von dem der Zug abfährt. So stehen alle Reisenden einträchtig unter der Anzeigetafel und warten. Manchmal wird es auch zehn Minuten vorher noch nicht angezeigt. Aber " don´t be stressed" sagt mir die Dame aus dem Shop unter der Anzeigetafel. " That´s normal." 
In Kutná Hora hl.n. verlasst ihr die Bahn. Verpassen werdet ihr das nicht, hier steigen viele Personen aus. Von dort braucht ihr zehn bis fünfzehn Minuten zu Fuß, um die Knochenkirche zu erreichen. Es gibt aber auch die Möglichkeit vom Bahnhof aus einen Bus zu nehmen. Der hält direkt an der Mariä-Himmelfahrtskirche, riesengroß, deshalb nicht zu übersehen. Obwohl Unesco-Welterbekirche, fanden wir sie eher enttäuschend. Mit dem gleichen Bus kann man dann später weiter in die kleine Stadt fahren, die noch eine Unesco-Welterbekirche bietet und einen wirklich netten historischen Stadtkern. Wer durch all das Besichtigen Hunger oder Durst verspürt, findet dort bestimmt etwas Leckeres. Wir haben zünftig im Dačický Pivnice gegessen und ein süffiges Schwarzbier getrunken.
Zurück geht es entweder wieder mit dem Bus oder ihr nutzt die Zubringerbahn, die euch vom versteckt liegenden Bahnhof Kutná Hora město zum Bahnhof Kutná Hora hl.n. bringt. Kleiner Tipp: besorgt euch in der Touristeninfo eine Übersichtskarte, um den Bahnhof zu finden, wir hatten keine und das war nicht gut...
Zu guter Letzt hier noch ein Danke an Thomas "pixelschmitt" Schmitt, auf seinem Blog: http://pixelschmitt.de/kutna-hora-die-knochenkirche-bei-prag/
bin ich erstmals über die Knochenkirche gestolpert. 

 

4 Kommentare:

  1. Wahnsinn, sehr skurill und von daher ganz mein Geschmack. Nach Prag möchte ich auch noch, die Knochenkirche wird Programmteil sein.

    AntwortenLöschen
  2. Gruuuuuselig. Aber auch echt interessant. Ich würde mich aber glaube ich voll unwohl darin fühlen. Mit Skeletten hab ichs irgendwie nicht so :D Die Bilder sehen echt großartig aus.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke :) ...ein wenig gruselig ist es schon, aber auf eine ganz eigene Art auch irgendwie ästhetisch...
      LG

      Löschen